Bedenkt die Bahn bei der Planung des neuen Bahnhofs die Bedürfnisse von behinderten Menschen? Darüber wird kontrovers diskutiert.

Stuttgart - Wenn man vom Rathaus kommt, ist man bekanntlich schlauer. Das gilt auch für Hinrich Schumacher. Der Leiter des Projekts "Tiefbahnhof" im Büro des Architekten Christoph Ingenhoven weiß um die Notwendigkeit von Induktionsschleifen für Hörgeschädigte, von Infostelen nach dem "Zwei-Sinne-System", von simplen Leitsystemen für Menschen mit geistiger Behinderung und von Blindenleitsystemen.

In der vom Stadtseniorenrat initiierten Informationsveranstaltung am vergangenen Dienstag, in der es um die Barrierefreiheit im Hauptbahnhof ging, hat er nun allerdings gelernt, dass die Fahrt in den von ihm gepriesenen "vollverglasten Panoramaaufzügen" nicht für alle Fahrgäste ein freudiges Aha-Erlebnis bedeuten würde.

Für Menschen mit psychischen Erkrankungen wie der Höhenangst sei selbstredend eine nicht-verglaste Alternative bereit zu stellen, hieß es aus der rund 200 Teilnehmer großen Zuhörerschar. Schumacher sagte: "Ich habe verstanden." Den Lernerfolg wollen die im S-21-Beirat des Dachverbands für Integratives Planen und Bauen vertretenen Behindertenverbände in den Folgetreffen überprüfen.

Prinzip "Fremdrettung" wird heftig kritisiert


Zwei Themenblöcke sind am Dienstag differenziert betrachtet worden: die Phase, in der der Kopfbahnhof umgebaut wird, und der eine Etage tiefer gelegte neue Durchgangsbahnhof. Dessen Verteilerebene kann man zwar ebenerdig und barrierefrei erreichen – auf die vier Doppelbahnsteige gelangen Menschen mit Behinderungen, Reisende mit Gepäck und Eltern mit Kinderwagen aber nur über zwölf Lifte. Treppen und Rolltreppen sind für sie tabu.

Orientiert sich die Bahn an den Bedürfnissen der Fahrgäste, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, schlecht oder gar nicht sehen oder hören? Der Architekt Schumacher und Sven Hantel von der Deutschen Bahn haben daran keinen Zweifel gelassen. Behindertenvertreter äußerten sich skeptisch. Die geneigten Bahnsteige wurden angesprochen, der Engpass von 2,05 Metern zwischen der Bahnsteigkante und den Rolltreppen in dem am stärksten frequentierten Mittelteil, die Notwendigkeit von Hebeeinrichtungen wegen des Niveauunterschieds zwischen Bahnsteig und Zügen.

Heftig kritisiert wurde das Prinzip der "Fremdrettung" im Ernstfall. Hantel sagte, bei einem Brand blieben den Rettungskräften 30 Minuten, um all jene Fahrgäste aus der Gefahrenzone zu bringen, die nicht alleine vom Bahnsteig auf die Verteilerebene gelangen könnten, weil die Aufzüge außer Betrieb wären. Man prüfe außerdem Möglichkeiten, die Aufzüge einzeln in Betrieb zu nehmen.