Auch der zweite Anlauf für einen Bürgerentscheid zu Stuttgart 21 hat kaum Chancen. Im Mittelpunkt stehen zwei gegensätzliche Rechtspositionen.

Stuttgart - Die Initiatoren, die in einem zweiten Anlauf 35.000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid über den Ausstieg der Stadt Stuttgart aus dem Projekt Stuttgart 21 gesammelt haben, müssen sich auf eine Ablehnung ihres Begehrens auch im Gemeinderat einstellen. Eine Abstimmung soll es zwar erst heute in der Vollversammlung des Rates geben, aber bereits am Dienstag zeichnete sich bei der Debatte im Verwaltungsausschuss eine Mehrheit für die Position der Stadtverwaltung ab, die einen Bürgerentscheid aus rechtlichen Gründen für unzulässig hält. CDU, FDP und Freie Wähler sehen dies genauso, die SPD will sich erst am Mittwoch erklären, kündigte aber an, dass man der Haltung der Verwaltung "wahrscheinlich zustimmen" werde, so der Stadtrat Manfred Kanzleiter. Grüne und SÖS/Linke dagegen forderten, einen Bürgerentscheid zuzulassen.

 

Beide Seiten halten an den gegensätzlichen bekannten Rechtspositionen fest und stützen sich dabei auf unterschiedliche Gutachten. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer betonte, dass es bei der Bewertung eines Bürgerentscheids um reine Rechtsfragen gehe, nicht um eine politische Entscheidung. "Ein Bürgerbegehren ist nicht die Eier legende Wollmilchsau, die alle Fragen lösen kann", so Schairer.

Mitfinanzierung der Stadt als Streitfrage

Wie berichtet, zielt das Bürgerbegehren darauf ab, dass die Stadt die Mitfinanzierung des Bahnprojekts für verfassungswidrig erklärt und die Projektverträge kündigt. Die Initiatoren stützen sich dabei auf den Grundgesetzartikel 104 a, wonach der Bau von Eisenbahnen allein Sache des Bundes sei. Die von der Stadt beauftragten Rechtsgutachter halten dagegen, dass die Stadt zur Wahrnehmung eigener Interessen sich sehr wohl an dem Projekt finanziell beteiligen könne. Sie heben darauf ab, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei, weil es zum Vertragsbruch führen würde, da kein Kündigungsrecht bestehe. Zudem beziehe sich das Begehren auf die Mitfinanzierungsentscheidung des Gemeinderats von 2007, weshalb die vorgeschriebene Sechs-Wochen-Frist für ein Bürgerbegehren dagegen längst abgelaufen sei. Mit Verweis auf diese Frist hatte seinerzeit das Verwaltungsgericht Stuttgart auch das erste Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 für unzulässig erklärt.

Grüne und SÖS/Linke dagegen halten die Argumente der Stadt für nicht ausreichend, um ein Bürgerbegehren abzuweisen. "Wir sollten uns bemühen, die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung rasch zu klären und ein Bürgerbegehren zu ermöglichen", sagte Grünen-Stadtrat Jochen Stopper. Dies biete zudem auch die Möglichkeit, den demokratischen Makel des Bahnprojekts wenigstens partiell zu korrigieren. CDU und Freie Wähler plädierten dagegen bei ausdrücklichem Respekt für das Engagement der 35.000 unterzeichnenden Bürger dafür, sich statt auf juristisch vage Pfade zu begeben lieber die von der Landesregierung geplante Volksabstimmung abzuwarten. Die FDP betonte, sie sei grundsätzlich für Bürgerbegehren, wenn diese rechtlich unangreifbar seien. Im vorliegenden Fall aber sei ein Begehren unzulässig.