Der Gemeinderat wird den Bürgerentscheids zum Ausstieg der Stadt aus Stuttgart 21 nicht zulassen. Es habe sich finanziell keine neue Sachlage ergeben, eine Kostenexplosion sei für die Stadt irrelevant.

Stuttgart - Das Bürgerbegehren „Storno 21“ zum „Ausstieg der Stadt aus Stuttgart 21 wegen grundlegend neuer Lage“ wird noch nicht am Donnerstag vom Gemeinderat für unzulässig erklärt. Eine Ratsmehrheit würde das zwar liebend gerne sofort erledigen, doch SÖS-Linke-Plus hat noch Beratungsbedarf. So wird nun am 1. und 2. Juli dieses dritte Bürgerbegehren gegen den Tiefbahnhof gemeinsam mit dem vierten Versuch abgehandelt, das Projekt zu beenden. Dieser thematisiert die nach Ansicht der Gegner zu geringe Leistungsfähigkeit der unterirdischen Station.

 

Der Gemeinderat hat über die Zulässigkeit eines Antrags auf Bürgerentscheid zu entscheiden. Dabei spielt die Politik keine Rolle, es geht nur um Rechtsgrundsätze. 20 017 Bürger hatten den Aufruf unterschrieben, der nach Ansicht des städtischen Rechtsbeistands Christian Kirchberg aber im Hinblick auf die letzte eingeräumte Kostenexplosion 2012 viel zu spät kam. Entscheidend ist für die Stadt aber vor allem, dass der Jurist erklärte, der Bürgerentscheid sei unzulässig, weil er ein rechtswidriges Ziel verfolge. Die Verwaltung hält die S-21-Finanzierungsverträge nämlich für rechtmäßig. Es sei allen Partnern 2009 wichtig gewesen, eine Kündigung auszuschließen, um das Projekt zu sichern. Für jegliche Kostensteigerungen jenseits der Höchstgrenze von 4,5 Milliarden Euro sei die „Sprechklausel“ vereinbart worden, die die Bahn längst gezogen hat. Sie betreffe direkt nur das Land, nicht aber die Stadt.

Für die Stadt haben sich die Verhältnisse nicht geändert

Die Verwaltung ist der Ansicht, die Verhältnisse hätten sich trotz der Steigerung auf aktuell 6,8 Milliarden Euro weder grundlegend noch unzumutbar geändert. Es habe sich auch noch kein Partner an die Stadt mit der Bitte um Zuzahlung gewandt. Weil gar keine Nachschusspflicht bestehe, könne sich jetzt auch die Geschäftsgrundlage nicht geändert haben. Würde die Stadt zur Kasse gebeten, käme das dennoch nicht „unvorhergesehen“. Schließlich habe sich die Stadt bereits 2009 mit diesem Szenario beschäftigt. Damals beschloss sie, die Möglichkeit eines Bürgerentscheids zu prüfen.

„Selten lässt sich die Anatomie eines Betrugs und die Erpressung eines Gemeinwesens so schön nachvollziehen, wie an den Kostenmanipulationen der DB bei Stuttgart 21“, klagt der Bündnissprecher Eisenhart von Loeper. Dennoch sehe die Ratsmehrheit keine geänderte Ausgangslage, die weder die Kündigung des Finanzierungsvertrags noch eine Vertragsanpassung, rechtfertige.

Die CDU will nur bauen, nicht diskutieren

Laut Alexander Kotz (CDU) steht bei S 21 die Umsetzung im Vordergrund. Wer die Baustellen sehe, könne nicht ernsthaft über die Beendigung des Projekts nachdenken. Den S-21-Gegnern warf er „Irreführung der Menschen“ vor. Jochen Stopper (Grüne) teilt zwar die Einschätzung der Verwaltung, hält das Bürgerbegehren dennoch für ehrenwert; immerhin sei versucht worden, die Stadt vor Mehrkosten zu schützen. Diesen Schutz gebe es bislang nicht. Stopper sagte, ein Bürgerentscheid zur etwaigen Übernahme weiterer Mehrkosten, die die Bahn irgendwann einräumen müsste, wäre überflüssig, da die Stadt in Anbetracht des Baufortschritts gezwungen würde, das „Desaster“ einer ewigen Baustelle zu verhindern.

Die Grünen bezweifelten am Mittwoch allerdings, dass der Versuch, das Projekt über die Kündigung der Verträge zu stoppen, der richtige Weg sei. Es sei aber eine „Ironie der Geschichte“, wenn das Gutachten feststelle, die Stadt habe sich mit ihrem Beschluss von 2009, bei Mehrkosten einen Bürgerentscheid oder eine -befragung zu initiieren, mit der Kostenexplosion abgefunden. Sich mit den Folgen zu beschäftigen bedeute nicht, sich daran auch zu beteiligen.

Die SPD warnt vor Schadensersatzzahlungen

Martin Körner (SPD) fragte sich, wo die Neubaustrecke ohne S 21 enden sollte – etwa „auf dem Feld?“. Den Antragsstellern sei es nicht darum gegangen, die Stadt vor Mehrkosten zu bewahren, sondern darum, das Projekt „zu Fall zu bringen“. Dann wären aber hohe Schadenersatzzahlungen zu leisten. Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke-Plus) verwies darauf, dass die Teuerung nicht nur vor Baubeginn, sondern bereits vor der Unterzeichnung der Verträge bekannt gewesen sei. Sie seien unter „Vorspiegelung falscher Tatsachen“ beschlossen worden. Die Bahn habe die Partner betrogen. Es sei „ungeheuerlich“, dass diese dennoch weiter Gültigkeit haben sollten.