Regierungsvertreter werfen dem Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn Utz-Hellmuth Felcht vor, das Kontrollgremium über den Stand bei Stuttgart 21 unzureichend informiert zu haben.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Vor den Treffen der Aufsichtsräte der Deutschen Bahn (DB), bei denen es um die Mehrkosten und die Zukunft von Stuttgart 21 gehen soll, sorgt Kritik von Regierungsvertretern an dem Aufsichtsratsvorsitzenden Utz-Hellmuth Felcht für Unruhe. In einem jetzt bekannt gewordenen Schreiben von Anfang Dezember wird Felcht vorgeworfen, unzureichend für die Unterrichtung des Aufsichtsrats über die S-21-Kostenexplosion gesorgt zu haben. Das berichtet die „Wirtschaftswoche“ in ihrer aktuellen Ausgabe.

 

Aufsichtsratsmitglieder kritisieren Informationspolitik

Die Angaben des Magazins werden dieser Zeitung in Koalitionskreisen bestätigt. Demnach bemängeln die Staatssekretäre Michael Odenwald (Verkehr), Bernhard Heitzer (Wirtschaft) und Bernhard Beus (Finanzen), die den Staatskonzern für die Regierung im Aufsichtsrat kontrollieren sollen, in ihrem Schreiben an Felcht, dass es faktisch ein ganzes Jahr lang keine schriftliche Unterrichtung des Gremiums zum Projektstatus gegeben habe. Und das, obwohl Felcht zuletzt Ende 2011 den Vorstand um Bahnchef Rüdiger Grube gebeten habe, „in den kommenden Sitzungen jeweils einen Überblick“ zu geben.

Die mangelnde Transparenz machen die Regierungsvertreter dafür verantwortlich, dass man von den „angedeuteten Mehrkosten in Milliardenhöhe“ sehr überrascht worden sei. Wie berichtet, sickerte durch einen gezielt lancierten „Bild“-Bericht schon Wochen vor der offiziellen Aufsichtsratssitzung am 12. Dezember durch, dass S 21 um Milliarden Euro teurer werde, aber angeblich weiterhin wirtschaftlich sei.

Schock im Kontrollgremium

Im Kontrollgremium sorgen die Mehrkosten seither für Verstimmungen. Geradezu „geschockt“ habe man am 12. Dezember auf den Vortrag des zuständigen DB-Vorstands Volker Kefer zu den Mehrkosten reagiert, hieß es nach der Sitzung in Aufsichtsratskreisen. Die Kontrolleure sorgen sich nach Kostenexplosionen beim Flughafen Berlin und der Hamburger Elbphilharmonie auch um die eigene Verantwortung.

Sie lassen, wie der Bahnvorstand, durch eine Anwaltskanzlei ihre Sorgfaltspflichten prüfen, um zu klären, ob ihnen Haftungs- und Schadenersatzansprüche drohen, falls S 21 zu einem ähnlichen Milliardendebakel für die Steuerzahler und die DB würde. Der Aufsichtsrat hat dem Vorschlag von Grube, den DB-Eigenanteil um 1,1 Milliarden Euro aufzustocken, um S 21 zu retten, bisher nicht zugestimmt. In getrennten Sitzungen will die DB-Spitze nun der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbank im 20-köpfigen Aufsichtsrat erklären, warum S 21 auch bei Kosten von bis zu 6,8 Milliarden Euro noch wirtschaftlich und machbar sei. Vor drei Jahren hatte der Aufsichtsrat das Projekt unter der Maßgabe beschlossen, dass die Kostengrenze von 4,5 Milliarden Euro nicht überschritten wird.

Grube liegt ein Katalog mit Fragen der Aufsichtsräte zu den Kostenexplosionen und den Kosten eines möglichen S-21-Abbruchs vor. Auch der Bundestag will sich Ende Februar im Verkehrsausschuss erneut mit dem Projekt befassen. Die Fraktion der Grünen verlangt in einer Kleinen Anfrage an die Regierung Aufklärung. Bereits mehrfach waren zuletzt eine offizielle Sitzung des Lenkungskreises, Treffen der Aufsichtsräte sowie eine Anhörung im Bundestag zu S 21 verschoben, weil der DB angeblich Gutachten noch nicht vorliegen.