Was, wenn die Stuttgart-21-Baustelle überschwemmt wird? Hypothetische Risiken kalkuliert die Deutsche Bahn nicht mehr ein.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Dass er viele Menschen nicht von seiner neuen Kosten- und Riskobewertung überzeugen kann, das wusste Infrastrukturvorstand Volker Kefer schon vor der jüngsten Sitzung des Lenkungskreises. Dass die Bahn die Risiken für Kostensteigerungen beim Bau von Stuttgart 21aktuell mit 370 Millionen Euro beziffert, während die vorherige Risikosumme noch bei 1,2 Milliarden Euro lag, steigert das Misstrauen noch.

 

Eine so massive Korrektur nach unten scheint gerade Kritikern, bei denen die Bahn generell in Verdacht steht, mit Zahlentricks zu täuschen, per se verdächtig. Können Risiken in der Zwischenbilanz eines solchen Mammutprojekts in so kurzer Zeit verschwinden? Die Frage ist berechtigt. Rein buchhalterisch muss die Antwort darauf wohl Ja und Nein heißen.

Tatsächlich liegt es in der Logik der doppelten Buchführung, dass die Kostenrisiken immer kleiner werden, je mehr Aufträge vergeben werden. Denn entweder die befürchteten Teuerungen treten ein - was sich bei der Auftragsvergabe zeigt -, dann wird aus dem hypothetischen Risiko ein realer Kostenfaktor, der an anderer Stelle verbucht werden muss. Im anderen Fall erweist sich die Risikoprojektion als unberechtigt, weil der Auftrag genau zum kalkulierten oder sogar zu einem geringeren Preis vergeben wurde. Dann kann dieser Risikoposten aus der Buchhaltung getilgt werden. In beiden Fällen wird das Risiko in der Bilanz kleiner - im einen Fall steigen die Kosten. Risikosumme und Kosten verhalten sich wie kommunizierende Röhren.

Hypothetische Risiken werden nicht berücksichtigt

Volker Kefer hat sich dem Vernehmen nach in der jüngsten Aufsichtsratssitzung der Bahn und auch im Lenkungskreis viel Mühe gegeben, diesen Mechanismus zu erläutern, um die Glaubwürdigkeit der neuen Risikobewertung zu unterstützen. Dieser Effekt allein erklärt allerdings nicht, wieso die Risiken so sehr zusammengeschmolzen sind. Gegenüber den Aufsichtsgremien legte Kefer dar, dass im neuen Risikostatus Doppelzählungen getilgt wurden. Gestrichen habe die Bahn aus ihrer Kalkulation auch alle hypothetischen Risiken, zum Beispiel Unwetterfolgen. "Wir kalkulieren nicht mehr damit, dass Stuttgart überschwemmt wird", soll Kefer erklärt haben.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will solche Risiken aber mitbedacht sehen. Der jetzt von der Bahn dem Risikofonds zugerechnete sogenannte Nominalisierungspuffer sei für unausweichliche Preissteigerungen vorgesehen und könne "nicht als Sicherheit für unvorhergesehene Risiken wie Wassereinbrüche im Tunnelbau eingeplant werden", betont er.

Dass die Kalkulation die Projektkritiker nicht befriedigt, weiß die Bahn. "Aber es ist nun mal unsere Sicht der Dinge", heißt es dazu. Kefer und seine Mannschaft haben sich darauf verständigt, alle sechs Monate eine neue Risikobewertung vorzunehmen. Die Prognosen zur Kostenentwicklung würden jedes Mal härter.