Schon vor zweieinhalb Jahren sind die Bäume gefällt worden, die dem neuen Tiefbahnhof weichen mussten – einige der Stämme sind aber nun so alt, dass sie für Kunstobjekte nicht mehr zu verwenden sind. Auch ärgern sich manche der Künstler über das Losverfahren, das Stadt, Land und Bahn angewandt haben.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, sagt das Sprichwort. Manchen Künstlern, denen die Stadt, das Land und die Bahn jetzt einige der Eichen, Platanen und Robinien aus dem Schlossgarten kostenlos angeboten hat, tun sich aber schwer, so zu denken. Zu sehr ärgern sie sich über die lange Dauer und über den Ablauf des Verfahrens. Am Donnerstag kochten bei einem Vororttermin in der Stadtgärtnerei auf dem Fasanenhof die Emotionen hoch.

 

Aber der Reihe nach. Im Februar 2012 waren im Schlossgarten 108 Bäume gefällt worden, um Platz zu machen für den neuen Tiefbahnhof. Seither lagern die Stämme (ohne Äste und Kronen) in der Stadtgärtnerei und im Wald bei Feuerbach. In einem Forum im Juni 2012 beschlossen die teilnehmenden Bürger, dass die Stämme für künstlerische, pädagogische und ökologische Projekte verwendet werden. Die Bahn stellte 200 000 Euro bereit.

Manche Stämme sind im Inneren schon teilweise verfault

So weit, so ehrenvoll. Doch die jetzt eingeladenen Bildhauer, die sich alle bereits beim Forum eingebracht hatten, sind zum Teil dennoch sauer. Sie ärgern sich darüber, dass zwei Jahre lang im Prinzip nichts geschehen ist. Einen Grund für die Verzögerung kennen sie nicht. Angeblich sollen sich Stadt und Land gestritten haben, wem die Stämme gehören. Laut Alice Kaiser, der Bürgerbeauftragten für Stuttgart 21, seien viele organisatorische und versicherungsrechtliche Fragen zu lösen gewesen.

In dieser Zeit lagen die Stämme ungeschützt unter freiem Himmel. Teilweise ist der Kern schon herausgefault, Pilze wachsen außen auf den Stämmen. Für viele Objekte sei das Holz deshalb bereits zu alt und zu gerissen, sagt einer der Künstler. Lars Zech aus Simmozheim (Kreis Calw), der große Gefäße aus Holz herstellt und deshalb Stämme mit bedeutendem Durchmesser benötigt, hat sich so nur noch für zwei der etwa 40 Stämme in der Stadtgärtnerei interessiert – und genau die wollten auch andere haben. Letztlich entschied das Los. Das hat Zech nach all seiner Vorarbeit so geärgert, dass er am Donnerstag früher gegangen ist. Er weiß noch nicht, ob er zum Zuge gekommen ist.

Um die guten Stämme gibt es einige Debatten

Theresia Moosherr aus Bad Schussenried (Kreis Biberach) ist auch verschnupft. Ihre Idee der „Versöhnungsskulpturen“ war von Anfang an eines der Prestigeprojekte gewesen, weil es gut zu der Geschichte um Stuttgart 21 passt – sie will sechs Skulpturen im Rosensteinpark aufstellen, darunter eine Doppelskulptur, bei der sich zwei Menschen umarmen. Dafür braucht auch sie einen dicken Eichenstamm. Doch diesen wollten ebenfalls noch andere haben. Das Losen hat Theresia Moosherr kategorisch abgelehnt. Sie ist der Meinung, dass die Projekte nach ihrer öffentlichen und künstlerischen Bedeutung bewertet werden sollen und das beste Projekt den Zuschlag erhält. Es wurde nach einer wohl kontroversen Debatte vereinbart, dass die Interessenten eine Projektbeschreibung abgeben und dann entschieden wird.

Die Verantwortlichen bemühen sich, die politisch heikle Verwendung der Stämme korrekt abzuwickeln. Gelingen will ihnen das nicht so recht. Manchmal hat sie auch einfach Pech. So hat die Jugendhaus-Gesellschaft vor wenigen Wochen ihre Planungen eingestellt, manche der Stämme in der Schreinerei im Kinderferienlager Stutengarten in Möbel zu verwandeln – man fürchtete, Eltern könnten sich beschweren, ihre Kinder würden politisiert.

Neun Bildhauer veranstalten Symposium

Ein Bildhauersymposium des Vereins „Geist und Geld“ wird aber wie geplant vom 8. bis zum 13. September auf einem Parkplatz an der Parlerstraße stattfinden. Neun Künstler verwandeln Stämme unter dem doppeldeutigen Motto „Gefällt“ in Skulpturen. Auch im Verein gab es zuletzt allerdings Debatten darüber, wie man bei diesem Projekt die gesellschaftliche Rolle der Kunst definieren soll.

Daneben wird die Freie Kunstschule Stuttgart mehrere Stämme für den Travertinpark gestalten; und hörgeschädigte Kinder können an einem Workshop mit Künstlern teilnehmen.