Die Stadt bereitete sich auf einen langwierigen Rechtsstreit mit der Bahn vor. Außerdem drohen ihr zwei Klagen, weil der Gemeinderat Bürgerbegehren erneut abgewiesen hat.

Stuttgart - Im absehbaren Prozess um die weitere Finanzierung des Bahnprojekts Stuttgart 21 vertreten Land und Landeshauptstadt bei der Frage, wen die Bahn AG verklagen kann, unterschiedliche Positionen. Das Land sieht sich nur für seinen eigenen Finanzierungsbeitrag (930 Millionen Euro) verantwortlich. Das sei „irritierend“, sagte SPD-Fraktionschef Martin Körner am Mittwoch in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses. Das Land handelt laut Vertrag auch für die Stadt, sammelt die Beiträge der Partner ein und überweist an die Bahn.

 

Der Gemeinderat wird es in seiner Sitzung an diesem Donnerstag ablehnen, die Verjährung für die von der Bahn vorgebrachte Forderung von 1,45 Milliarden Euro aufzuschieben. Das ist die Differenz zwischen den 4,5 Milliarden, mit denen Stuttgart 21 im Jahr 2009 von Bahn, Bund, Land, Stadt, Region Stuttgart und Flughafen finanziert wurde, und den 5,987 Milliarden, die der Bahn-Aufsichtsrat im März 2013 freigegeben hat, weil die Kosten explodierten.

Bis Jahresende will die Bahn klagen

Die Bahn will bis Jahresende Klage einreichen. Für die Stadt geht es um 292 Millionen Euro. Allerdings nur vorerst. Der Staatskonzern hat auf 180 Seiten begründet, warum er zur Not unbegrenzt Geld von der Stadt haben will. Der Verteilungsschlüssel von 65 Prozent, die die Partner, und 35 Prozent, die die Bahn zu bringen hätten, solle „auch für diese weiteren Mehrkosten gelten“. Der Verwaltungsausschuss beschloss, die Kanzlei Dolde Mayen (Stuttgart, mit Anwalt Porsch) mit der Klageabwehr zu beauftragen.

„Die Bahn schildert sich als Getriebene, aber das ist eine Geschichte für die Naiven“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) zu den 180 Seiten Anspruchsbegründung. Die DB schreibt, dass sie den Durchgangsbahnhof „unter anderem aus Kostengründen“ früh abgelehnt und „ein anderes Konzept, bei dem der Kopfbahnhof stehen geblieben wäre“ favorisiert habe. Grundlage für S 21 sei gewesen, dass „für die DB keine unkalkulierbaren Risiken entstehen“. Er halte an Stuttgart 21 fest, weil er die „Folgeschäden“ bei einem Ausstieg überschauen könne, so Kuhn. Die Anwälte erwarten, dass der Rechtsstreit mit der Bahn vier bis fünf Jahre dauert.

Anwalt: Schiene geht Stadt nichts an

Hannes Rockenbauch, Sprecher von SÖS/Linke-plus, sieht in dem kommenden Prozess den Beleg dafür, dass „die Geschäftsgrundlage zur Finanzierung von Stuttgart 21 entfallen ist“. Das hatten die Gegner bereits in einem Bürgerbegehren („Storno“) behauptet. Es war vom Gemeinderat aber abgelehnt worden. Der Rat wird den Widerspruch gegen die Ablehnung an diesem Donnerstag abermals verwerfen, weil die Begehren rerchtswidrig seien. Die Gegner wollen dann vor Gericht zu ziehen. Gleiches gilt für das Begehren, das die behauptete Leistungsfähigkeit des neuen Bahnknotens verneint („Leistungsrückbau“) und darin einen Ausstiegsgrund sieht.

Ein Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag sei nicht einfach möglich, sagte Anwalt Winfried Porsch für die Stadt. Nicht Kündigung, sondern Vertragsanpassung sei der erste Schritt. Der ebenfalls von der Stadt beauftragte Anwalt Christian Kirchberg sagte, die Partner seien verpflichtet, Anpassungen des Vertrags zu versuchen. Zum Thema Leistungsrückbau hat sich Kirchbergs Ansicht seit seinem ersten Gutachten 2015 geändert. „Der Schienenverkehr geht die Stadt nichts an, das ist außerhalb ihrer Reichweite“, sagte er jetzt. „Politisch juckt mich die Frage aber sehr“, sagte Kuhn. Die Initiatoren der Begehren und Rockenbauch werfen Kirchberg vor, mit seiner Änderung nicht schlüssig zu argumentieren.