Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn ist verärgert, wie Meldungen von Termin- und Kostenproblemen die Runde machten. Zudem fordert er mehr Engagement vom Bund.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat sich zwar extra einige Tage Zeit gelassen, bevor er auf das Bekanntwerden neuer Termin- und Kostenprobleme bei Stuttgart 21 reagiert hat – der Zorn des Stadtoberhaupts ist während dieser Wartezeit aber keinesfalls verraucht. „Wie die Bahn mit den Projektpartnern umgesprungen ist, ist ein klarer Vertrauensbruch, der nicht gut ist.“ Es sei an der Bahn, dies wieder in Ordnung zu bringen. Kuhn nennt den ganzen Vorgang ein „Kommunikationsdesaster“. Dass die Bahn beim Bau des neuen Durchgangsbahnhofs zwei Jahre hinter dem Zeitplan hinterherhinkt, geht aus vertraulichen Dokumenten hervor, die am 15. Juni im Aufsichtsrat des Schienenkonzerns besprochen werden.

 

Kuhn zeigt sich von den Gründen für den Verzug wenig überrascht

„Nach der Sitzung des Aufsichtsrats, aber noch vor der des Lenkungskreises muss es Gespräche zwischen der Bahn und den Projektpartnern geben“, fordert Kuhn. Dabei solle die Bahn auch Wege aufzeigen, wie die Verzögerung aufgeholt werden können. Diese Vorschläge müssten ausschließlich von dem Verkehrskonzern kommen. „Denn klar ist: Die Bahn baut Stuttgart 21 und nur die Bahn.“ Dass Verzögerungen eintreten, hat Kuhn nicht überrascht. „Das war mit Ansage. Da war in der Substanz nichts Neues dabei.“ Dass der Stuttgarter Untergrund Anhydrit enthalte, sei bekannt gewesen, der Halt am Flughafen schlicht schlecht geplant. Und dass ein Bauprojekt dieser Größenordnung eine Herausforderung im Blick auf den Brandschutz darstelle, sei auch wenig überraschend, so Kuhn. Die Geologie, die lange Genehmigungsdauer am Flughafen wie die drastisch gestiegenen Anforderungen an den Brandschutz hat die Bahn als Hauptursache für die terminliche Schieflage identifiziert.

Ohne den Vorschlägen der Bahn vorzugreifen, definiert Kuhn den Rahmen, in dem sie sich bewegen können. Abgesehen davon, dass die Ansätze „realistisch“ sein müssten, dürften sie das Mineralwasservorkommen Stuttgarts nicht gefährden oder die Stadt lahmlegen. Die in den Fokus geratene Verkehrsführung am Gebhard-Müller-Platz sei so im Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben. „Da gibt es nichts zu deuten.“ Kuhn beugt dem Verdacht vor, den Bremser geben zu wollen. „Mit der Stadt kann man reden.“

Der Bund solle künftig einen Vertreter in den Lenkungskreis entsenden

In der Verantwortung sieht der Rathauschef neben der Bahn auch den Bund. „Die machen sich in der Sache einen ausgesprochen schlanken Fuß“, sagt Kuhn. Er fordert, dass künftig auch ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums an den Sitzungen des Lenkungskreises teilnimmt. In diesem Gremium treten die Projektpartner zusammen. Zudem müsse das Ministerium dafür sorgen, dass das ihm untergeordnete Eisenbahn-Bundesamt (EBA) mit genug Personal ausgestattet ist. „Das Ministerium muss sicherstellen, dass die Behörde arbeitsfähig ist.“ Das EBA ist für die Prüfung und Genehmigung der Bahnpläne zuständig. Der Bahn wiederum rät Kuhn, nicht immer darüber nachzudenken, was im EBA alles anders laufen könnte. „Es ist gut, wenn jeder sich auf seine Zuständigkeiten konzentriert. Klarheit hilft manchmal.“

Das Stadtoberhaupt sieht keinen Anlass, an dem Zeitplan der Bürgerbeteiligung für das Rosensteinquartier, das einmal auf den heutigen Gleisflächen entstehen soll, etwas zu ändern. Für die Stadt sei es in hohem Maße von Bedeutung, ob die geplanten 7500 Wohnungen auch zum bisher anvisierten Zeitpunkt gebaut werden können. Auch die Pläne für eine Internationale Bauausstellung auf dem Areal drohten sonst unter Stress zu geraten.

Keine Neigung lässt Kuhn erkennen, auf die Zinsen zu verzichten, die die Bahn wegen der verspäteten Übergabe vom 1. Januar 2021 an zu bezahlen hätte. Pro Jahr steht der Stadt dann ein Betrag in der Größenordnung von rund 20 Millionen Euro zu, bis die Bahn das Areal geräumt übergeben hat. Angesprochen auf die Frage, für wie wahrscheinlich Kuhn ein Aufholen der Verspätung hält, bedient sich der Fußballfan eines Bilds aus dem Laufsport. Ein Marathonläufer, der weit hinten liegt, müsse so trainiert sein, dass er in der zweiten Hälfte des Laufs den Rückstand wieder wettmachen kann. Zum vermuteten Trainingszustand der Bahn wollte er sich nicht äußern.