Die grün-rote Landesregierung kann sich unter Umständen doch vorstellen, einen finanziellen Beitrag zu den Mehrkosten von Stuttgart 21 zu leisten. Zumindest diskutiert die Koalition über die Mehrkosten des Filderbahnhofs.

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung kann sich unter Umständen doch vorstellen, einen finanziellen Beitrag zu den Mehrkosten von Stuttgart 21 zu leisten. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung wird in Koalitionskreisen darüber diskutiert, inwieweit sich das Land unter Umständen an Zusatzkosten für einen modifizierten Bahnhof am Flughafen beteiligen könnte. Die SPD, die Stuttgart 21 befürwortet, sieht darin ohnehin einen „Sondertatbestand“. Diesen Terminus macht sich inzwischen offenbar auch das von den Grünen geführte Staatsministerium zu eigen. Allerdings würde das Land eine weitere Finanzspritze an Bedingungen knüpfen, heißt es in der Villa Reitzenstein. Zunächst müsse eine seriöse Kostenkalkulation über die bisherige Antragstrasse und den Filderbahnhof Plus auf den Tisch. Danach müsse die generelle Finanzierung des Projektes durch die Bahn geklärt sein. Außerdem könne sich eine zusätzliche Beteiligung „allenfalls im ganz niedrigen zweistelligen Millionenbereich“ bewegen, heißt es.

 

Tatsächlich hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schon vor Wochen angedeutet, dass er beim Filderbahnhof unter Umständen verhandlungsbereit sein könnte. Verkehrsminister Winfried Hermann (ebenfalls Grüne) hatte das aber abgelehnt. Der sogenannte Filderbahnhof Plus war als eine Variante im vom Land initiierten Filderdialog entwickelt und von den Projektpartnern als sinnvoll erachtet worden. Allerdings existiert ein Kabinettsbeschluss, der die Übernahme von Mehrkosten bei Stuttgart 21 durch das Land Baden-Württemberg ausschließt. Im Koalitionsvertrag zwischen den Grünen und der SPD ist ebenfalls vereinbart, dass sich das Land nicht über den vertraglich fixierten Anteil von 930 Millionen Euro hinaus engagiert.

Die Drähte glühen

Auch im Bundesverkehrsministerium glühen inzwischen die Drähte in Sachen Stuttgart 21. Zwar betont Minister Peter Ramsauer (CSU) regelmäßig, dass der Stuttgarter Tiefbahnhof „kein Bundesprojekt“ sei. Bauherr ist allerdings die Deutsche Bahn, deren einziger Anteilseigner der Bund ist. Zudem bezuschusst der Bund den Umbau des Bahnknotens Stuttgart mit knapp 1,3 Milliarden Euro.

Der Bundesregierung kommt daher eine entscheidende Rolle bei der Frage zu, ob die Bahn Stuttgart 21 trotz der Erhöhung des Finanzierungsrahmens auf 5,6 Milliarden Euro weiterbauen kann. Zwei Wochen vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 5. März deutet sich an, dass der Bund grünes Licht geben wird, also die zehn Vertreter der Eigentümer im Gremium der Übernahme der Mehrkosten zustimmen werden. Die Arbeitnehmervertreter haben sich dagegen noch nicht festgelegt und sehen die Chance für einen Weiterbau nur bei 50 Prozent, so der stellvertretende Vorsitzende Alexander Kirchner. Offiziell heißt es, dass über die Verteilung der Mehrkosten und Risiken noch beraten wird. „Die Gespräche laufen“, so eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums am Freitag.

Dass das Ministerium von Peter Ramsauer aufgrund der Beteiligung an dem Projekt auch das Recht hat, an allen Sitzungen des Lenkungskreises der Projektpartner teilzunehmen, ist bisher kaum öffentlich bekannt. Das geht aber zweifelsfrei aus der Geschäftsordnung hervor, in der es unter Punkt 2.1. heißt: „Ein Vertreter des BMVBS nimmt als Gast an den Sitzungen des Lenkungskreises teil.“ Allerdings hat nach Informationen der Stuttgarter Zeitung das Ministerium bereits seit Mai 2010 an keiner einzigen Sitzung mehr teilgenommen. Auf Seiten der Projektpartner zeigt man sich deshalb teils erstaunt und irritiert, dass das Haus von Minister Ramsauer in den letzten Jahren so wenig Interesse an den Treffen auf höchster Ebene zeigte und die Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließ, sich aus erster Hand über Kosten-, Termin- und Bauprobleme zu informieren.

Das Ministerium selbst wollte nicht bestätigen, dass seit Anfang 2010 kein Lenkungskreis mehr besucht wurde. Man habe keine Protokolle vorliegen, so eine Sprecherin. Die Gastregelung bestimme, dass man teilnehmen könne, aber nicht müsse.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um die Wirtschaftlichkeit und Rentabilität des Milliardenprojekts hat die Interessengemeinschaft Bürger für Baden-Württemberg derweil in zwei offenen Briefen den Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) und den Finanzminister Nils Schmid (SPD) aufgefordert, den volkswirtschaftlichen Nutzen von Stuttgart 21 für die Stadt und das Land Baden-Württemberg zu betonen. Der Öffentlichkeit müsse klar gemacht werden, so der Vorsitzende Sebastian Heinel, „dass sich Stuttgart 21 für Land und Stadt auch bei einer anteiligen Übernahme der Mehrkosten weiterhin mehr als lohnt“.