Auf der Demonstration kündigen Redner wie Hannes Rockenbauch (SÖS) zivilen Ungehorsam an. Am Montag ist eine Sitzblockade geplant.  

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Ein Gradmesser für die Stimmung in den Reihen der Stuttgart-21-Gegner sind Jubel und Applaus bei Beiträgen auf der Rednerbühne bei der Demonstration am Samstag gewesen. Die Anwesenheit einer Gruppe ist seit der Landtagswahl nie so positiv aufgenommen worden wie dieses Mal: die rote Fahnen schwenkenden SPD-Mitglieder unmittelbar vor dem Podium. "Hallo Nils Schmid, hier steht deine Basis", rief Matthias Oomen vom Fahrgastverband Pro Bahn in die Menge, und erntete einen Sturm der Begeisterung. Die anwesenden Sozialdemokraten genossen das sichtlich, müssen sie doch seit der Landtagswahl bei den Demos als die neuen Buhmänner herhalten. "Es geht nicht darum, ob wir für oder gegen diese Landesregierung sind, sondern darum, Stuttgart 21 zu verhindern", hatte Gudrun Merkle von den Parkschützern zuvor gesagt.

 

Neue Hoffnung, dass das Projekt scheitern werde, hatte in der zurückliegenden Woche der Rücktritt des Chefplaners Hany Azer genährt. Das war für Matthias Oomen eines der Hauptargumente in seinem Beitrag - neben den Kosten. "Der fähigste Mann, den man für das Projekt gewinnen konnte, ist weg. Alles was danach kommt, ist nur noch zweite Wahl", sagte er. Stuttgart 21, gegen dessen Bau sein Verband seit 15 Jahren sei, sei "ein Patient auf der Intensivstation", so Oomen weiter. Ein Hoffnungsträger sitze im Kabinett: "Ihr müsst unseren Freund Winne Hermann stark machen. Nur mit ihm wird es einen Stresstest ohne Manipulation geben."

Rockenbauch fordert zu zivilem Ungehorsam auf

Das schwerwiegendste Argument gegen das Bahnhofsprojekt sind für Oomen nach wie vor die Kosten, die von den Gegnern inzwischen auf rund 11 Milliarden Euro geschätzt werden und damit mehr als doppelt so viel wie von der Bahn angegeben. Der Ausbau und die Modernisierung des Kopfbahnhofes seien hingegen für 1,8 Milliarden Euro zu haben. Von dem Differenzbetrag könne man viele Hundert Kilometer Straßenbahnstrecke bauen, so Oomen.

Für die Redner Hannes Rockenbauch (SÖS) und Peter Grottian, der wissenschaftlicher Beirat der Globalisierungsgegnervereinigung Attac ist, spielten die Finanzen keine große Rolle in ihren Beiträgen. Sie konzentrierten sich auf die kommende Welle des Widerstands, auf die sie setzen. "Nicht Wahlen entscheiden, sondern wenn der Souverän den Aufstand probt", rief Grottian in die Menge - die nach Angaben der Veranstalter 7000 Teilnehmer, laut der Polizei 2500 Demonstranten zählte. Wie er forderte auch Rockenbauch, dass die Demonstranten mit zivilem Ungehorsam gegen Stuttgart 21 kämpfen sollen. Der Beitrag des prominentesten Redners, Konstantin Wecker, fiel dem Gewitter zum Opfer - "Ich bin weiter bei euch", rief er noch in die Menge, bevor die Kundgebung abgebrochen werden musste.

Wecker sang am Abend dort, wo sich die Gegner auf die am Montag beginnende große Protesaktion vorbereitet haben. Um am Montag von 5.30 Uhr fit für eine mehrtägige Sitzblockade zu sein, trainierten Projektgegner auf einem Camp bei Stuttgart Mühlhausen. In Rollenspielen bereiteten erfahrene Sitzblockierer andere Teilnehmer darauf vor, wie sie sich verhalten müssen, wenn die Polizei zur Räumung des Platzes aufruft, und wie man sich im Falle der Räumung wegtragen lässt. Wo die Blockierer sich von Montag früh an für die kommenden zwei Tage niederlassen sollen, wusste auf dem Camp nur ein eingeschworener kleiner Kreis. "Damit sich niemand verplappert", sagte einer der Teilnehmer.