Zwei weitere Optionen für die Schienenführung bei Stuttgart 21 rund um den Stuttgarter Flughafen nähren die Hoffnung auf eine verbesserte Lösung. Der große Wurf ist nach Experteneinschätzung aber nicht dabei.

Stuttgart - Den Durchbruch erwartet niemand, wenn sich am Freitagvormittag in Berlin der Bahninfrastrukturvorstand Volker Kefer und seine Gäste aus Stuttgart über die Pläne für den neuen Gleisanschluss am Stuttgarter Flughafen beugen. Die Besucher aus der Landeshauptstadt – OB Fritz Kuhn (Grüne), Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) – haben dann neben der bekannten Antragstrasse und dem Plan für den Filderbahnhof Plus (siehe Grafiken) auch noch zwei weitere Spielarten im Gepäck.

 

Antragstrasse: Die ursprüngliche Planung, die derzeit auch im Genehmigungsverfahren ist, sieht einen separaten Bahnhof für den Fernverkehr unter der Messepiazza vor (DB). Regional- und Fernzüge von der Gäubahn nutzen ein Gleis der S-Bahnstation als Haltepunkt (S). Diese Mischnutzung ist einer der Hauptkritikpunkte dieses Vorschlags.

Die Reise an die Spree ist das nächste Kapitel in den von Hermann initiierten Gesprächen, bei denen die Projektpartner nach besseren Lösungen für die Stuttgart-21-Führung rund um den Flughafen suchen. Ministerpräsident Kretschmann nutzte den Neujahrsempfang der Messe, um in bester Befürworter-Manier die Marschroute vorzugeben. „Mit dem Anschluss an das Fernbahnnetz über Stuttgart 21 schließen wir die letzte Lücke der Anbindung der Messe an alle Verkehrsarten an. Die Bahn ist jetzt in der Pflicht, eine gute Trasse zu bauen“, sagte Kretschmann in seiner Rede. Wie auch immer – allen Optionen gemeinsam ist: Nichts ist genehmigt, und der insbesondere in der Kritik stehende Mischverkehr von S-Bahnen sowie Zügen des Fern- und Regionalverkehrs auf denselben Schienen quer durch Leinfelden-Echterdingen wird nicht vermieden.

Die neuen Varianten Keine der nun frisch ins Rennen geschickten Streckenführungen stellt etwas gänzlich neues dar. Sowohl ein drittes Gleis an der S-Bahn-Station am Flughafen wie auch die Ostumfahrung der Messe wurden im Diskussionsprozess um Stuttgart 21 schon betrachtet. Die Option „Drittes Gleis“, bei der der Flughafen die Urheberschaft für sich reklamiert, sieht einen zusätzlichen Schienenstrang mit Halt nördlich der bestehenden S-Bahnstation für Züge des Fern- und Regionalverkehrs auf der Gäubahn vor. Im Flughafenbahnhof würden nur die Züge auf der Relation Stuttgart-Ulm halten.

Die Option „Drittes Gleis“

Die Variante mit einer Ostumfahrung der Messe scheint komplizierter. Züge von Stuttgart in Richtung Gäubahn hielten im Flughafenbahnhof unter der Messepiazza, fahren in eine 270-Grad-Schleife, umrunden das Messeparkhaus und kreuzen dabei zweimal die Autobahn und die Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm. Westlich der B 27 schließt diese Variante an die S-Bahngleise Richtung Rohrer Kurve an.

Erste Bewertungen Bahnexperten zeigen sich zurückhaltend bei der Einordnung der neuen Optionen. Keine davon dränge sich uneingeschränkt auf. Die Ostumfahrung reduziere immerhin jenen Gleisabschnitt, den S-Bahnen und Züge des Fern- und Regionalverkehrs gemeinsam nutzen, um ein bis zwei Kilometer. Die Schleife rund um die Messe verlängert aber die Fahrzeit nach Schätzungen um zwei bis drei Minuten.

Bahnexperten bleiben zurückhaltend

Mit dem sogenannten dritten Gleis würden auf den Fildern künftig insgesamt fünf Bahnsteigkanten zur Verfügung stehen – zwei in der S-Bahnstation, zwei im Flughafenbahnhof, eine am dritten Gleis. Die Zahl der Bahnsteige gilt Experten als Gradmesser für die Flexibilität eines Haltepunkts.

Filderbahnhof Plus: Bei dieser Variante würden sich Fern- und Regionalzüge den neuen Halt unter der Messepiazza (DB) teilen, der S-Bahn-Halt bliebe für die S-Bahn reserviert. Diese Option erhielt beim Filderdialog die zweitmeisten Stimmen hinter dem Beibehalt der Gäubahn auf der Stuttgarter Panoramastrecke, was aber die Projektpartner von vornherein abgelehnt haben.

Der Filderbahnhof Plus wiederum sei die einzige Variante, die in der vorliegenden Form direkte Verbindungen von der Gäubahn in Richtung Neckartal ermögliche. „Beim Nutzen liegen alle drei Varianten recht dicht beieinander, beim Aufwand nicht“, sagt ein Fachmann. Es gelte nun abzuwägen, wie zukunftsträchtig die einzelnen Optionen und wie groß die Eingriffe beim Bau und Betrieb in den Bestand am Flughafen und in die landwirtschaftlichen Flächen der Umgebung sind.

Reaktionen Für die Stadt Leinfelden-Echterdingen, auf deren Markung der Löwenanteil der Planungen spielt, zeigt sich deren OB Roland Klenk (CDU), erfreut „über die Bewegung in der Sache“ – explizit auch über das Engagement des Landesverkehrsministers. Eine Päferenz habe er nicht, sagt Klenk. Jede Lösung müsse aber einen störungsfreien Betrieb von Nah- und Fernverkehr gewährleisten sowie weiteres Wachstum auf der Schiene nicht verbauen.

Ermutigend oder nur neue Murks-Varianten?

Auch am Flughafen findet man die jüngsten Entwicklungen „im hohen Maß ermutigend“, wie ein Sprecher sagt. Die Flughafengesellschaft weist aber darauf hin, dass sie Wert auf die gemeinsame Inbetriebnahme von Schnellfahrstrecke und Flughafenanbindung legt.

Für die Schutzgemeinschaft Filder sind die von Hermann vorgelegten Überlegungen nur „neue Murks-Varianten“. Steffen Siegel, Vorsitzender der Vereinigung, fragt sich: „Sind die denn alle durchgeknallt.“ Mit dem „Herumdoktern“ sei „das System auf den Fildern insgesamt so niemals zu retten“. Die Schutzgemeinschaft macht sich abermals für den Erhalt der Gäubahn über die Panoramstrecke stark und eine Umsteigemöglichkeit in Vaihingen.

Der Regionalpräsident zeigt sich zufrieden

Der Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) wird auf dem Treffen in Berlin die Mehrheitsposition der Regionalversammlung vertreten – und die heißt: Filderbahnhof Plus, für den die Region auch zu einer Mitfinanzierung bereit wäre. Diese Lösung garantiere einerseits, dass die S-Bahn weiterhin pünktlich verkehre, andererseits biete sie die Zukunftsmöglichkeit einer Direktverbindung vom Kreis Böblingen ins Neckartal. Aber auch er ist „sehr zufrieden“ damit, dass „alle auf einen pragmatischen Kurs“ eingeschwenkt seien.

Er werde sich keinem Vorschlag widersetzen, der ähnliches leiste wie der Filderbahnhof Plus, aber sowohl kostenmäßig als auch zeitlich besser zu realisieren sei. Bopp macht klar, dass die Region sich nur dann an den Kosten beteiligen werde, wenn die Variante einen Zusatznutzen hätte für den Regionalverkehr. Bei der dreigleisigen Lösung sei dies aus heutiger Sicht nicht ausgeschlossen. „Eine Lösung, die nur die Pünktlichkeit für die S-Bahn garantiert, werden wir nicht mitfinanzieren“, betont er. Dies sei laut Vertrag allein Aufgabe der Bahn. Er hoffe, dass in dem Gespräch die Zahl der Varianten verringert werden könne, die dann von der Bahn näher untersucht werden müssten.

Die Stadt Stuttgart möchte die Varianten nicht kommentieren und verweist auf das Spitzentreffen in Berlin.