Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wurde am Freitag auf den Weg gebracht. Doch ob sie hilft, die Gemüter zu besänftigen, ist noch unklar.

Stuttgart - Mit dem Klageverzicht von CDU und FDP im Landtag ist die für den 27. November 2011 geplante landesweite Volksabstimmung über einen Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des umstrittenen Projekts Stuttgart 21 in greifbare Nähe gerückt. Die Frage ist jedoch, ob das Ergebnis des Plebiszits tatsächlich - wie von der grün-roten Koalition artikuliert - zu einer Befriedung des Konflikts beitragen kann.

 

Die Ausgangslage ist klar: Laut Landesverfassung müssen mindestens ein Drittel (2,54 Millionen) der etwa 7,6 Millionen stimmberechtigten Bürger für den Ausstieg des Landes aus dem Projekt stimmen. Dieses sogenannte Quorum muss erreicht werden, damit das Ergebnis für das weitere Regierungshandeln rechtsverbindlich wäre. Führt man sich vor Augen, dass bei der Landtagswahl im März dieses Jahres die Grünen, politische Speerspitze der Projektgegner, nur rund 1,2 Millionen Stimmen erhalten haben, scheint dieses Ziel in weiter Ferne. Selbst wenn man die wachsende Schar der Projektgegner beim Koalitionspartner SPD, die den Tiefbahnhof befürwortet, hinzuaddiert, bliebe man immer noch weit hinter der Marke von 2,54 Millionen zurück.

Dahlbender gibt sich zuversichtlich

Die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 und Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Brigitte Dahlbender, lässt diese Rechnung allerdings nicht gelten. Schließlich hätten die Bürger bei der Wahl auch aus anderen Gründen die Befürworterparteien CDU, SPD und FDP gewählt, obwohl sie das Bahnprojekt ablehnten, so ihre Interpretation. Dahlbender gibt sich zuversichtlich, die Hürde Quorum nehmen zu können: "Wir sind optimistisch, dass wir auch landesweit mobilisieren können." Sie erinnerte an das Nichtraucher-Volksbegehren in Bayern, dem ebenfalls im Vorfeld keine Erfolgsaussichten bescheinigt worden war. Vor allem aber sei die Abstimmung ein "Signal für mehr direkte Demokratie" in Baden-Württemberg - und dieses Bedürfnis reiche weit über die Region Stuttgart hinaus.

Ob die Abstimmung den Konflikt über das Bahnprojekt beenden kann, hängt für Dahlbender davon ab, mit welcher Offenheit die Bürger im Vorfeld über Kosten und Risiken von Stuttgart 21 informiert werden. Bei der Frage, ob die Projektgegner auch eine Niederlage akzeptieren würden, verweist die Bündnissprecherin zurück auf die Politik: Wenn etwa das Quorum knapp verfehlt werde, müsse die Regierung entscheiden, ob sie sich an das Votum der Bürger gebunden fühle, die mehrheitlich für einen Ausstieg des Landes aus der Finanzierung gestimmt haben.

Möglichst viele Befürworter sollen ihr Votum abgeben

Stefan Faiß, obwohl Mitglied der Grünen, gleichwohl ein engagierter Befürworter des Bahnprojekts und als solcher in diversen Initiativen für Stuttgart 21 aktiv, sieht nur eine Chance, den Streit über das Milliardenvorhaben beizulegen - das Erreichen des Quorums oder eine klare Mehrheit für den Tiefbahnhof. Er zeigt sich hoffnungsfroh, dass am 27. November die Anhänger von Stuttgart 21 erfolgreich sein werden. Dafür müssen diese unter Umständen nicht einmal an der Volksabstimmung teilnehmen. Wird das Quorum nicht erreicht, können die Befürworter - unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Abstimmung - dies als Zustimmung zu Stuttgart 21 interpretieren. Doch daran ist Faiß und vor allem den Projektbefürwortern in der SPD nicht gelegen. Er hofft, dass möglichst viele Befürworter ihr Votum abgeben und für die relative Mehrheit sorgen.

Falls aber die Gegner das Quorum schaffen und eine deutliche Mehrheit das Land auffordern würde, die Verträge mit der Bahn zu kündigen, hätte Faiß kein Problem, das Ergebnis zu akzeptieren. Schwierig würde es allerdings für manche Genossen in der SPD, die sich dem Bahnprojekt besonders verpflichtet fühlten, glaubt der Jurist. Falls die Hürde gerissen würde und die Gegner dennoch in der Mehrheit sein sollten, prophezeit Faiß: "Dann geht der Konflikt weiter."