Land, Stadt und Region wollen Zusatzkosten für das Projekt nicht mittragen. Das kam beim Treffen des Lenkungskreises am Flughafen heraus.

Stuttgart - Knapp zwei Monate vor der geplanten Volksabstimmung ist der Streit um die tatsächlichen Kosten für das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 neu entbrannt. Bei der Sitzung des sogenannten Lenkungskreises am Stuttgarter Flughafen am Freitag hat die Bahn ihren Projektpartnern eine überarbeitete Kosten- und Risikoberechnung für das Milliardenprojekt präsentiert und dabei eingeräumt, dass bei den bisherigen Arbeiten nach aktuellem Stand 30 Millionen Euro an Mehrkosten angefallen sind, so der Bahn-Technikvorstand Volker Kefer: „Die finanzielle Lage ist angespannt.“ Insgesamt bleibe die Bahn aber innerhalb des Kostenrahmens von 4,088 Milliarden Euro.

 

Verkehrsminister Winfried Hermann warf der Bahn dagegen Rechentricks vor. „Wir bewegen uns direkt auf den 4,5-Milliarden-Euro-Deckel zu und haben das Projekt noch nicht begonnen“, so der Grünen-Politiker. „Wir können nicht glauben, dass diese Summe ausreicht, um das Projekt zu realisieren.“ Den von der Bahn ausgewiesenen zusätzlichen Nominalisierungspuffer in Höhe von 322Millionen Euro, mit dem Preissteigerungen aufgefangen werden sollen, bezeichnete er als „Bilanztrick“. Das sei ein neuer Versuch, so Hermann, „die Öffentlichkeit zu täuschen“.

"Mangelhafte Informationspolitik“

Dieses Vorgehen entspreche nicht dem Umgang mit Partnern, die viel Geld bezahlen sollten. Zudem beklagte Hermann erneut die „mangelhafte Informationspolitik“ der Bahn und forderte, dass die Sitzungen des Lenkungskreises künftig besser vorbereitet werden müssten. Dazu soll ein Arbeitskreis reaktiviert werden, der bereits vor dem nächsten Treffen des Lenkungskreises tätig werden soll. Als mögliche Termine für die Fortsetzung der Gespräche hat das Land den 10. oder 15.Oktober vorgeschlagen, die Antwort der Bahn steht noch aus.

Die Gespräche im Saal Dornier des Konferenzzentrums am Flughafen drehten sich vor allem um die Frage, ob die von Bahnchef Grube zur Kostenobergrenze erklärten 4,5 Milliarden Euro für das Bahnprojekt eingehalten werden können. Der Konzern sieht die Zahlen dabei im vorgegebenen Kostenrahmen. Die Rechnung der Deutschen Bahn: da in den Bau- und Planungskosten von 4,088 Milliarden Euro bereits ein Kostenpuffer für Preissteigerungen von 322Millionen Euro eingeplant sei, habe man im Risikofonds (438 Millionen Euro) noch genügend Reserven.

Zusatzkosten

Gestritten wurde aber auch über die inzwischen aufgelaufenen Zusatzkosten in Höhe von 80Millionen Euro. Der Infrastrukturvorstand Volker Kefer betonte dabei erneut, dass sich die Bahn weigere, diese Kosten allein zu übernehmen. Es müsse in den nächsten Monaten eine neue Finanzierungsvereinbarung über diese Summe mit allen Partnern abgeschlossen werden. Die Projektpartner Stadt, Region und Land haben diese Forderung der Bahn zurückgewiesen. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster betonte, dass die Zusatzleistungen aus dem Risikotopf finanziert werden müssten. Bei einer Beteiligung der Stadt an diesen Kosten drohe ein Bürgerentscheid in der Landeshauptstadt, so Schuster. Die 80 Millionen Euro Zusatzkosten resultieren unter anderem aus der zweigleisigen westlichen Anbindung des Flughafens an die Neubaustrecke.

Zur Verteuerung beigetragen haben zudem zusätzliche Signalanlagen sowie Umbauten am Tiefbahnhof. Auch die von Schlichter Heiner Geißler geforderte Verpflanzung aller gesunden Bäume aus dem Schlossgarten erhöhen die Kosten. Entgegen erster Vermutungen hatte weder Bahnchef Rüdiger Grube noch Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) an der Sitzung teilgenommen. Dem Vernehmen nach soll der Ministerpräsident seine Teilnahme aus Verärgerung über die ausgebliebenen Unterlagen abgesagt haben.

Am Rande der Sitzung nahm Kefer gegenüber der StZ auch das Land in die Verantwortung für die Einhaltung des Finanzplans. „Wenn die Landesregierung es primär als ihre Aufgabe ansieht, das Projekt zu verhindern, bekommen wir mit der Zeit ein Problem. Das ist nicht wegzudiskutieren“, betonte Kefer. „Das Projekt ist wegen seiner Größe und Komplexität in der Abwicklung schwierig genug. Das kriegt man nur hin, wenn alle Beteiligten in die gleiche Richtung ziehen.“ Kefer nahm für sich in Anspruch, eine exakte Zwischenbilanz erstellt zu haben. „In unserer Bewertung haben wir jetzt alle identifizierten Risiken komplett erfasst“, betonte er. Die Frage, ob der Finanzrahmen gerissen oder eingehalten werde, „ist mit letzter Gewissheit erst zu beantworten, wenn achtzig bis neunzig Prozent des Projekts realisiert sind“. „Wir kämpfen darum“, fügte Kefer hinzu.

Kostenrahmen und Mehrkosten

Kostenrahmen Für das Projekt Stuttgart 21 hat die Bahn aktuell Bau- und Planungskosten in Höhe von 4,088 Milliarden Euro veranschlagt. Hinzu kommt ein von allen Projektpartnern bestückter Risikofonds in Höhe von 438 Millionen Euro. Die Kostenobergrenze wurde von Bahn-Chef Rüdiger Grube auf 4,5 Milliarden Euro festgelegt.

Mehrkosten Innerhalb der 4,088 Milliarden Euro hat die Bahn einen zusätzlichen Risikopuffer in Höhe von 322 Millionen Euro, den sogenannten Nominalisierungspuffer, für Preissteigerungen während der Bauzeit einkalkuliert. Diese ist auf zehn Jahre veranachlagt. Daher sieht der Schienenkonzern noch genügend Spielraum, um eventuell anfallende weitere Mehrkosten aufzufangen, ohne den Riskofonds auszuschöpfen.