Videos im Internet lassen vermuten, dass die Polizei Provokateure eingesetzt habe. Zwei von ihnen wurden als Linksautonome identifiziert.

Stuttgart - Hat die Polizei beim missratenen Einsatz gegen Stuttgart-21-Gegner am 30.September 2010 Provokateure aus den eigenen Reihen eingesetzt, um Bilder gewalttätiger Demonstranten zu bekommen? Seit geraumer Zeit kursiert diese Vermutung im Internet. In einem Fall sind jetzt die Täter ermittelt worden. Es handelt sich dabei, anders als im Internet kolportiert, um Mitglieder der linksautonomen Szene. Auf einer im Internetportal Youtube kursierenden Videosequenz ist eine vermummte Person zu sehen, die einen Brandsatz wirft, dann festgehalten und schließlich von "Fluchthelfern" befreit wird.

Auf dem Video ist auch die ausgebeulte Jacke eines der "Fluchthelfer" zu erkennen - was manche als Indiz für einen Schulterhalfter werteten. Der Verdacht: Polizeibeamte in Zivil hätten den Brandsatzwerfer, einen Kollegen in Zivil, in Richtung des Polizeikordons in Sicherheit gebracht. Diese Mutmaßung hat sich nun als falsch entpuppt. Zwar hat die Polizei den maskierten Täter bisher nicht identifizieren können, dafür aber seine beiden Befreier: Es handelt sich um zwei 20 und 21 Jahre alte Stuttgarter, die ebenso wie weitere umstehende Personen dem linksautonomen Spektrum zuzuordnen seien. Gegen sie hat die Staatsanwaltschaft jetzt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.



Ein weiterer Filmausschnitt vom Polizeieinsatz am 30.September zeigt eine vermummte Person, die aus der Menge der Demonstranten heraus eine Flüssigkeit in Richtung Polizei sprüht. Auch in diesem Fall spekulierten Stuttgart-21-Gegner im Internet, dass es sich um einen im Auftrag der Polizei handelnden Agent provocateur handele, dem weitere Polizisten in Zivil zur Seite stünden. Für diese These hat etwa die Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten Indizien gesammelt. Unter anderem soll das verwendete Sprühgerät nach Angaben des Herstellers nur an die Polizei verkauft werden dürfen. Das ist nachweislich falsch. Im Internet kann sich jeder das als Pfefferspray bekannte Modell RSG Zivil für knapp 32 Euro bestellen.

Experte: Szene "nicht ganz koscher"


Doch was ist mit jenem jungen Mann in Zivil, der sich augenscheinlich gegenüber den uniformierten Polizeibeamten ausweist und sich ohne Beanstandung zwischen den Einsatzkräften bewegen darf? Er taucht später bei der Sprayerattacke wieder auf, sperrt vermeintlich eine Gasse für den Sprüher frei. Auffällig aus Sicht der Einsatzkritiker: keiner der Polizeibeamten setzt dem Täter nach. Das Bild der Sprayattacke hat die Polizei wenige Tage nach dem Einsatz als Beweis dafür vorgeführt, dass Stuttgart-21-Gegner gewalttätig gegen die Beamten geworden seien. Die StZ hat das Video mehreren unabhängigen Polizeiexperten vorgespielt. Nach ihrer Einschätzung ist die Szene "nicht ganz koscher".

Es sei sehr merkwürdig, dass sich der Zivilist mitten in den Reihen der Polizei ungehindert bewegen könne, heißt es. Die Ausführung der Sprayattacke spreche für den Einsatz von "Profis" - von welcher Seite auch immer. Polizeipressesprecher Stefan Keilbach erklärte gegenüber unserer Zeitung, man habe auf besagtem Video keinen einschlägig bekannten Autonomen erkennen können. Es werde aber auch in diesem Fall weiter ermittelt.

(Disclaimer: Die Stuttgarter Zeitung ist nicht Urheber des eingebundenen Videos. Es dient lediglich der Dokumentation entsprechender Textstellen.)