Die Uneinigkeit über die künftige Form des Protests gegen das umstrittene Milliardenprojekt Stuttgart 21 ist offensichtlich. Eine Mehrheit des Aktionsbündnisses tendiert offenbar zum Ausstieg aus den Montagsdemos.

Stuttgart - Montag für Montag vollzieht sich mittlerweile in der Stuttgarter City das gleiche Ritual. Die Demonstrationen gegen Stuttgart 21 laufen aus dem Ruder, ein harter Kern eingefleischter Projektgegner verlässt die abgesprochene Demoroute, marschiert auf die Schillerstraße oder gar weiter auf dem Cityring und legt den Verkehr vorübergehend lahm. Die Demoorganisatoren schauen hilf- und tatenlos zu, die Polizei ebenfalls. Und natürlich sind rasch Projektbefürworter zur Stelle und sprechen angesichts des von der Stadt verhängten und vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigten Demonstrationsverbots vor dem Hauptbahnhof von permanentem Rechtsbruch.

 

Aber auch viele langjährige und engagierte S-21-Gegner der ersten Stunde sind es leid, sich permanent für die Verstöße einer Minderheit rechtfertigen zu müssen. Das Wort vom „Widerstandskindergarten“ macht die Runde.

Mehrheit will wilde Demos nicht mehr kritiklos hinnehmen

Am Dienstagabend hat das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 deswegen über eine Neudefinition seines Selbstverständnisses beraten. Dazu lag dem Bündnis der Entwurf einer Präambel vor, der die Handschrift der Grünen, des BUND, des Fahrgastverbands Pro Bahn und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) trägt und in dem in bisher nicht gekannter Deutlichkeit Kritik an Aktionen einzelner Gruppen von Montagsdemonstranten geübt wurde (die StZ berichtete). Die Rede ist von „öffentlicher Kritik und Distanzierungen“, die möglich sein müsse. In dem Papier wird auch die künftige Beteiligung an Organisation und Finanzierung der Montagsdemos ausgeschlossen.

Eine der Sprecherinnen des Aktionsbündnisses, Clarissa Seitz, sagte gegenüber der StZ, es gebe noch keinen formalen Beschluss über die neue Geschäftsordnung. Ein Teil der dem Bündnis angehörenden verschiedenen Initiativen habe sich Bedenkzeit erbeten, um den Vorschlag intern zu diskutieren. Allerdings, so Seitz, seien die zitierten Passagen bei der Mehrheit des insgesamt aus 13 Gruppen bestehenden Bündnisses durchaus auf große Zustimmung gestoßen. Die Grünen-Stadträtin, die nach ihrem öffentlichen Eingeständnis, S 21 sei derzeit politisch nicht mehr zu verhindern, selbst zur verbalen Zielscheibe frustrierter Projektgegner wurde, appellierte an die Teilnehmer der montäglichen Proteste, die „wilden Demos“ künftig zu unterlassen.

Parkschützer wehren sich gegen einseitige Schuldzuweisungen

Matthias von Hermann, Pressesprecher der Parkschützer, will die Kritik an den aus dem Ruder laufenden Montagsdemos nicht auf seiner Initiative sitzen lassen: „Die Demonstranten, die nicht der abgesprochenen Route folgen, sind nicht ausschließlich den Parkschützern zuzuordnen.“ Die Organisatoren hätten den genehmigten Verlauf via Internet und auf Flyern publik gemacht. Bei manchen Teilnehmern sei dies nicht angekommen.

Dass sich das Aktionsbündnis nun von solchen Aktionen distanzieren und aus der Mitfinanzierung der Montagsdemos aussteigen will, ist laut von Hermann den Grünen geschuldet. „Die Partei fährt die Kretschmann-Strategie“, so der Initiativensprecher. Der grüne Ministerpräsident hat bekanntlich den Widerstand gegen S 21 für erledigt erklärt. Am Abend meldete sich dann Eisenhardt von Loeper, Co-Sprecher von Seitz im Aktionsbündnis, zu Wort. Zwar gebe es unterschiedliche Ansichten, wie es mit den Demos weitergehen solle. Eine Distanzierung von den Parkschützern sei dies aber nicht, so von Loeper.