Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn befasst sich an diesem Mittwoch mit der Kosten- und Terminentwicklung von Stuttgart 21. Die Gegner erwarten eine erneute Überprüfung des Projekts – und werben für „Plan B“.

Stuttgart - Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube und sein für Stuttgart 21 verantwortlicher Stellvertreter Volker Kefer müssen dem Bahn-Aufsichtsrat an diesem Mittwoch erneut Hiobsbotschaften zum Projekt überbringen. Nur drei Jahre nach der Kostenexplosion von 4,5 auf 6,526 Milliarden Euro gilt der damals vom Aufsichtsrat gewährte Nachschlag als aufgezehrt. Siebeneinhalb Jahre vor der Fertigstellung bleibt nur ein Mini-Puffer von 15 Millionen Euro.

 

Kefer muss einräumen, dass zahlreiche, erst als unwahrscheinlich erachtete Risiken, voraussichtlich eintreten werden oder bereits eingetreten sind. Er sieht einen „Gegensteuerungsbedarf“, also Sparzwänge, im Umfang von 524 Millionen Euro. Wie er diese Summe einsparen will, wird er dem Aufsichtsrat erklären müssen.

Die Eisenbahn- und Verkehrs-Gewerkschaft (EVG) sieht die Entwicklung kritisch. Ihr Vorsitzender Alexander Kirchner fordert eine „lückenlose Aufklärung, wie es zu der Kostensteigerung kommen konnte, vor allem aber, wer im Vorstand der DB AG wann was wusste“. Es könne nicht sein, so Kirchner, „dass uns noch vor drei Monaten im Aufsichtsrat erklärt wurde, es sei alles in Ordnung. Und nur wenige Wochen später erweist sich diese Aussage als falsch“.

Gegner: Die Planung ist konfus

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat am Montag in Stuttgart Ideen zur Umnutzung der bisherigen Arbeiten präsentiert. Er erwarte, dass der Aufsichtsrat die Kosten erneute prüfen lasse und bis September auslotet, ob sich ihm Alternativen böten, sagte Bündnissprecher Eisenhart von Loeper. Die Planung des Projekts sei konfus. „Der Aufsichtsrat braucht sicheren Boden für eine weitere Entscheidung.“

Die Bahn betreibe „seit Jahren eine dramatische Kostenverschleierung“, sagte von Loeper. Der Aufsichtsrat sei 2013 durch politische Einflussnahme „rechtswidrig belastet“ worden.

Weitere Kostensteigerungen erwartet

Den 20 Kontrolleuren müsse klar sein, so Martin Vieregg vom Beratungsbüro Vieregg & Rössler (München), dass sie „mit nochmals deutlichen Kostensteigerungen rechnen müssen“. Er sei der Ansicht, dass die Mehrkosten nicht vollständig seien.

Vieregg hat selbst 9,8 Milliarden Euro Gesamtkosten errechnet. Bei einem Umstieg auf einen ertüchtigten Kopfbahnhof verliere die Bahn rund 1,5 Milliarden verbautes Geld und 300 Millionen Euro an Vertragsstrafen. „Sie spart aber acht Milliarden“, sagte Vieregg. Die Neubaustrecke ab Wendlingen könne an die heute bestehende Gleisinfrastruktur geknüpft werden, die Fahrzeit bis Wendlingen sei vermutlich nicht länger als die auf der S-21-Infrastruktur über den Flughafen.

Parkhaus und Omnibusbahnhof in Baugruben

Bei einem Ende von Stuttgart 21 ließen sich die tiefe Baugrube unter den früheren Prellböcken für ein Parkhaus und einen zentralen Omnibusbahnhof nutzen sowie die im Schlossgarten für eine Veranstaltungsstätte, die den alten Landespavillon ersetze. Klaus Gebhard von den Parkschützern und der Architekt Peter Dübbers, Enkel des Bahnhofs-Architekten Paul Bonatz, sehen außerdem die Möglichkeit, den Nord- und Südflügel des alten Bahnhofs in modernisierter Form wieder aufzubauen und diese Immobilien zu vermieten. Über den Gleisen, die wieder bis zur Kopfbahnsteighalle verlängert werden sollten, könne abschnittsweise eine Glashalle entstehen. „Eine Halle von der Stange, ohne Kelchstützen“, spielte Gebhard auf den schwierig zu bauenden Tiefbahnhof-Entwurf des Architekten Christoph Ingenhoven an.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht Bund und Bahn bei den Kostensteigerungen in der Pflicht. Die Bundesregierung habe 2013 darauf bestanden, S 21 ungeachtet der Kosten umzusetzen. Seit dem Volksentscheid 2011 sei jede Landesregierung in der Pflicht, das Projekt zu begleiten und zu befördern. Das Land werde aber nicht zusätzlich zahlen, so Hermann.