Dem Bahnvorstand könnten Ermittlungen wegen Verdachts der Untreue und des Betrugs drohen. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 will Strafanzeige stellen – wegen „grob pflichtwidrigem Verhalten des Vorstands“.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Das interne Dossier des Bundesverkehrsministeriums, das schwere Vorwürfe gegen den Vorstand der Deutschen Bahn (DB) enthält, könnte zu strafrechtlichen Ermittlungen führen. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 will Strafanzeige gegen die DB-Spitze wegen Verdachts der Untreue und des Betrugs stellen.

 

„Nach meiner Einschätzung liegt hier ein grob pflichtwidriges Verhalten des Vorstands vor“, sagte der Sprecher des Bündnisses, Eisenhart von Loeper, der StZ. Der Rechtsanwalt prüft zusammen mit weiteren Juristen derzeit das Aufsehen erregende Dossier des Verkehrsministeriums, das diese Zeitung in Auszügen veröffentlichte und das inzwischen auch den S-21-Kritikern vorliegt.

Verspätete und falsche Informationen

Wie berichtet, wurde das Dokument zum Krisentreffen der Aufsichtsräte des Staatskonzerns am vorigen Dienstag erstellt. Das Ministerium kreidet der Bahn-Spitze gravierende Verfehlungen an – darunter verspätete und sogar falsche Information des Aufsichtsrats zu den Mehrkosten in Höhe von bis zu 2,3 Milliarden Euro sowie zu ihrer Finanzierung. Deshalb sollten Regressansprüche geprüft werden, betonen die Regierungsexperten mehrfach. Aus dem Dossier geht hervor, dass der zuständige DB-Vorstand Volker Kefer die vorläufigen Ergebnisse der Kostenüberprüfung bei S 21 schon seit dem 2. Juli 2012 kannte. Zudem wurden „erste Einschätzungen“ schon am 3. August 2012 im DB-Vorstand erörtert, heißt es unter Bezug auf Konzernabgaben. Die Mehrkosten von 2,3 Milliarden Euro wurden dem Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit aber erst am 12. Dezember offiziell bekannt gegeben. Die Finanzierung ist bis heute ungeklärt, Kritiker sehen das gesamte Projekt vor dem Scheitern.

Die DB-Spitze habe offenkundig ein „seit Juli bekanntes Gutachten-Ergebnis von dramatischer Reichweite bis Dezember verschwiegen“, kritisiert Loeper. Mit den riesigen Mehrkosten sei die Gesamtfinanzierung nicht mehr gegeben und damit die Grundlage von S 21 und Planrechtfertigung weggebrochen. Die DB-Spitze hätte mit einem sofortigen Bau- und Auftragsstopp reagieren müssen, um den Schaden zu minimieren, habe dies aber „pflichtwidrig“ unterlassen.

Betrugsverdacht steht im Raum

Deshalb, so Loeper, sei zu prüfen, ob der Bahnvorstand sich der Untreue wegen Verletzung der Vermögensbetreuungspflichten schuldig gemacht habe. Die Untreue der Manager könne sowohl gegenüber der AG als auch gegenüber den Projektpartnern bestehen.

Wegen des unterlassenen Bau- und Auftragsstopps sei auch ein Betrugsverdacht zu prüfen, so Loeper. Er bezieht sich unter anderem auf die Aussage des Dossiers, wonach der DB-Vorstand dem Aufsichtsrat „über Monate keinen Hinweis auf die bekannte Dimension des Problems gegeben und in dieser Zeit weitere Vergaben getätigt hat“. Damit wurden „die potenziellen Kosten des Ausstiegs/Umstiegs auf eine andere Alternative in einer Phase der Unsicherheit über die Gesamtfinanzierung bewusst erhöht“. Das Ministerium wirft der DB-Spitze explizit vor, die Ausstiegskosten bewusst durch weitere Auftragsvergaben in die Höhe getrieben zu haben, obwohl man wusste, dass die Gesamtfinanzierung nicht mehr gesichert ist. Auch darauf wollen die Kritiker ihre Anzeige stützen.