Die Stuttgarter Netz AG, die auch nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 oberirdische Gleise erhalten möchte, kann diesen Wunsch auch in einem noch durchzuführenden Planfeststellungsverfahren anmelden, erklärt das Verwaltungsgericht.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die im Stuttgarter Verwaltungsgericht aufgestellten Stuhlreihen haben nicht ausgereicht. Das Interesse an der Verhandlung am Dienstagnachmittag war so groß, dass weitere Sitzmöbel herbeigeschafft werden mussten. Gut 120 Menschen wollten verfolgen, wie sich das Verwaltungsgericht zur Klage der Stuttgarter Netz AG (SNAG) stellt. Das Unternehmen, das derzeit in Rainer Bohnet nur einen Vorstand aber keine weiteren Mitarbeiter hat, verlangt vom Eisenbahn-Bundesamt (Eba), die Bahn zu einem förmlichen Stilllegungsverfahren zu verpflichten, ehe sie sich daran macht, die durch Stuttgart 21 überflüssig gewordenen oberirdischen Gleisanlagen rund um den Hauptbahnhof zu demontieren. Das Eba wie auch die beigeladene Bahn beantragten, die Klage zurückzuweisen.

 

Bahn sagt Planfeststellungsverfahren zu

In der Verhandlung unter Vorsitz von Richter Wolfgang Kern wurde deutlich, dass das Gericht dazu tendiert, die Klage der Firma zurückzuweisen. Denn die SNAG könne ihr Interesse an der Anlage in einem noch durchzuführenden Planfeststellungsverfahren artikulieren. Dass die Bahn ein solches vor dem Rückbau der Gleise anstrengen muss, war für Kern offensichtlich. Nach einer Sitzungsunterbrechung sagte der Bahnanwalt Josef-Walter Kirchberg ein solches Verfahren auch zu. Zuvor hatte er in der Verhandlung lediglich erklärt, die Bahn sei mit der Stadt in Verhandlungen, welche Verfahrensart zu wählen sei. Er sage das Planfeststellungsverfahren in der Zuversicht zu, dass sich Kerns Rechtsauffassung auch in weiteren Instanzen als belastbar erweise.

Im Verwaltungsgericht ging es um die Frage, wie Stuttgart 21 einzuschätzen sei: lediglich als ein Umbau des Vorhandenen oder als ein kompletter Neubau, der für die bisherigen Anlagen ein Stilllegungsverfahren notwendig macht. In einem solchen Fall könnte die SNAG ihr Interesse bekunden, die Gleise und den Kopfbahnhof weiterzubetreiben.

Klägerin will vors Bundesverwaltungsgericht ziehen

Dass das Unternehmen dazu in der Lage sei, stellte Bahnanwalt Kirchberg in Abrede und zog damit die Klageberechtigung in Zweifel. Ausgerechnet der Vertreter des beklagten Eisenbahn-Bundesamtes, Reinhard Hennes, erklärte aber auf Rückfragen, dass er die SNAG durchaus als „Dritte“ ansehen würde, der im Sinne des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ein Angebot zum Weiterbetrieb zu unterbreiten sei. Hennes gab an, dass seine Behörde in der Regel schon glücklich sei, wenn überhaupt ein Interessent im Laufe eines Stilllegungsverfahrens auftreten würde. Erfahrung habe man nur bei „Feld-, Wald- und Wieseneisenbahnen gemacht.“ Die Lage in Stuttgart sei aber deutlich komplexer.Michael Sitsen, Anwalt der SNAG, beantragte gegen Ende der mehr als dreistündigen Sitzung, dass die sogenannte Sprungrevision zugelassen wird, dass also im Zweifelsfall der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof übergangen und sich die Parteien gleich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wiedersehen. Ein Verfahren, mit dem sich auch Eba-Vertreter Reinhard Hennes anfreunden kann.

Eine Entscheidung hat das Stuttgarter Verwaltungsgericht am Dienstagabend für Mittwochnachmittag angekündigt.