Die Pläne für die Wolframstraße und die neuen Wege zwischen Haupt- und Nordbahnhof samt dem Umbau der Heilbronner Straße haben viele Kritiker. Doch sie gelten. So plant die Bahn plant für Stuttgart 21 etwa einen oberirdischen Tunnel. Und für Fußgänger ist gar kein Platz.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte – Hans-Jörg Jäkel steht, wo niemand grundlos stehen bleiben würde: Unter der Eisenbahnbrücke, die sich über die Wolframstraße wölbt, rauscht der Feierabendverkehr durchs abgasgraue Zwielicht. 50 Meter ums Eck lässt die Stuttgarter Straßenbahnen AG Löcher ins Erdreich bohren, um das Fundament der neuen Stadtbahnbrücke für die U 12 zu verankern. 100 Meter weiter links rattern die Baumaschinen fürs künftige Einkaufszentrum Milaneo.

 

Jäkel hastet über die vier Spuren der Straße. Er will drüben eine Bake aufstellen, um eine Merkwürdigkeit zu verbildlichen: Hier plant die Bahn einen oberirdischen Tunnel. Die Bake ist so hoch wie dessen Wände, rund zweieinhalb Meter. Auf einer Fotomontage, die auf die Einladung zum Termin gedruckt ist, prallen hier Autos auf Beton. Umgekehrt enden die Bahngleise an der Wand des derzeitigen Autotunnels.

Es geht um die Tücke des Details

Dies ist eine Veranstaltung der S-21-Gegner. Jäkel gehört der Initiative Ingenieure 22 an, ein Stück weiter vorn steht der Stadtrat Gangolf Stocker, den man Mister Stuttgart Keinundzwanzig nennen könnte. Aber heute geht es nicht um oben bleiben oder unten buddeln, es geht um die Tücke des Details. An dieser Stelle sind die Planungen „so kompliziert, dass sogar ich Mühe hatte, sie zu verstehen“, sagt Stocker. Dass der merkwürdige Tunnel gebaut werden soll, bestätigt Nicolaus Welker vom Stadtplanungsamt. „Wir haben dort einen merkwürdigen Übergangszustand“, sagt er. „Das ist ein Problem“.

Die Pläne für die Wolframstraße und die neuen Wege zwischen Haupt- und Nordbahnhof samt dem Umbau der Heilbronner Straße sind schon andernorts durchgefallen. Der Bezirksbeirat im Norden hat sie einstimmig abgelehnt, der in der Stadtmitte mehrheitlich. Auch dort spricht längst niemand mehr übers Grundsätzliche, über K oder S 21. Es geht längst um die Details. Den Lokalpolitikern missfiel die schiere Größe der künftigen Straßen und Kreuzungen. Sie wünschen sich eine Planung, die weniger auf die Belange der Autofahrer ausgerichtet ist. „Die Pläne sind nicht mehr zeitgemäß“, sagt Annegret Breitenbücher für die Grünen. „Sie erinnern an die Zeit der autogerechten Stadt.“

„Bekommen wir einen Verkehrsinfarkt?“

Ändern wird der Einspruch nichts. Das Vorhaben hat der Gemeinderat schon vor zehn Jahren beschlossen – sogar mit den Stimmen der Grünen. Die Stadt hat nochmals ein Gutachten anfertigen lassen. Das Ergebnis ist, dass der künftig zu erwartende Verkehr die Straßen in der geplanten Breite braucht, um nicht zu stocken. Die Bauaufträge sind ausgeschrieben, die Kosten auf 6,6 Millionen Euro kalkuliert. Einen Teil zahlt die Bahn, einen die Stadt. Zumindest den CDU-Bezirksbeirat Michael Scharpf besorgt weniger der Endzustand, mehr die Bauzeit. „Man steht und steht und steht, ich habe das live erlebt“, sagt er – im Stau. Wenn die Arbeiten erst richtig beginnen, „bekommen wir dann einen Verkehrsinfarkt?“, fragt Scharpf. Dieser Infarkt ist recht genau, was Jäkel voraussagt. Jener merkwürdige Tunnel muss lang vor der künftigen Wolframstraße gebaut werden. Sie wird erst fertig sein, wenn der Tiefbahnhof in Betrieb geht. Jäkel steht inzwischen auf der Eisenbahnbrücke statt unter ihr, um andere Merkwürdigkeiten zu erklären. „Ich könnte viele Details erzählen“, sagt er, und tut es.

Die Grundaussage ist stets die gleiche: Um inklusive einer provisorischen Baustraße, auf der Lastwagen Erdaushub zu Zügen in eine Umladestation am Nordbahnhof transportieren sollen, alles zu verwirklichen, was während der Bauzeit als nötig erachtet wird, fehlt schlicht der Platz. Der Endzustand, das meint auch Jäkel, ist kein Problem. „Dann ist das hier alles mehr oder minder eingeebnet.“ Die Autos fahren dann über einen Hügel statt durch einen Tunnel.

Bis dahin allerdings sollen die Autofahrer auf zwei weit geschwungenen Schleifen mit je zwei Spuren über den Tunnel umgeleitet werden, die eine Richtung Haupt-, die andere Richtung Nordbahnhof. So steht es in den Planfeststellungsunterlagen. Die Kurven zur Wolframstraße sind nahezu rechtwinklig. Lastwagen müssen die linke Spur benutzen, um nicht rechts die Tunnelwand zu schrammen. Die künftige Kreuzung zur Stadtbahn wird mit einer Ampel geregelt. „Für Fußgänger ist gar kein Platz“, sagt Jäkel. Wohl gilt all dies nur für die Bauzeit, aber wann die voraussichtlich beendet ist, umschreibt Welker, der Stadtplaner, so: „Ich werd’s vielleicht noch erleben, wenn ich in Rente gehe.“