Die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs von Stuttgart 21 wird nun doch nicht Thema einer Schlichtung im Rathaus. Projektkritiker werfen der Bahn vor, sich der Diskussion nicht zu stellen. Und auch Fritz Kuhn spielt eine Rolle.

Stuttgart - Der Gemeinderat hat im vergangenen Jahr zwei Bürgerbegehren abschlägig beschieden, die sich mit der Finanzierung von Stuttgart 21 und der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs beschäftigen. Projektkritiker behaupten, dass wegen der Kostenexplosionen die Finanzierungsgrundlage längst entfallen sei und sich die Stadt folglich aus dem Projekt zurückziehen könne.

 

Außerdem wird vor allem von der Internetplattform Wikireal und ihrem Protagonisten Christoph Engelhardt behauptet, Stuttgart 21 sei zu gering dimensioniert. Als Nachweis unzureichender Planung wird der Filderabschnitt genannt, der neu geplant werden muss.

Die Stimme des OB hat den Ausschlag gegeben

Den Vertrauensleuten der Bürgerbegehren war im Technischen Ausschuss allerdings das Rederecht verweigert worden – dafür hatte OB Fritz Kuhn (Grüne) mit seiner Stimme den Ausschlag gegeben. Das sorgte für Ärger, weil bei der Ablehnung des Bürgerentscheids zur Leistungsfähigkeit dem einen oder anderen Stadtrat leise Zweifel gekommen waren, ob die Begründung des beauftragten Anwalts in allen Punkten stichhaltig ist. SÖS-Linke-Plus-Chef Hannes Rockenbauch hatte die Kritikpunkte anstelle der Vertrauensleute herausgestrichen, eine größere Präsentation war ihm allerdings verweigert worden.

Weil man die Haltung von 20 000 Bürgern aber nicht ignorieren wollte, haben Martin Körner (SPD) und Jochen Stopper (Grüne) vorgeschlagen, einige der damals als strittig identifizierten Punkte in einer gemeinsam veranstalteten und moderierten Sitzung zu klären. Dafür sollten Vertreter der Deutschen Bahn eingeladen werden sowie Christoph Engelhardt. Doch daraus wird nichts. „Ich bedauere sehr, dass wir Herrn Engelhardt nicht für diese Veranstaltung gewinnen konnten“, sagte Martin Körner auf StZ-Anfrage.

Normalerweise sei es nicht schwer, Referenten zu verpflichten. Den Projektkritikern hätte aber eine Veranstaltung ohne Publikum und ein Verfahren vorgeschwebt, dass Tage hätte dauern können, weil mit der Bahn über kleinste ingenieurtechnische Details diskutiert werden sollte.

Kritiker werfen der Bahn vor zu kneifen

Der Wikireal-Gründer sowie der Vertrauensmann des Bürgerbegehrens, Joris Schoeller, bedauern ebenfalls, nicht mit der Bahn die Klinge kreuzen zu können. Sie hätte nur für Körners „politische Veranstaltung“ zur Verfügung gestanden, nicht aber für eine „Schlichtung 2.0“ – so genannt in Anlehnung an die wochenlange Debatte im Herbst 2010 unter der Leitung von Heiner Geißler. Der Konzern fürchte sich offenbar vor einem neuerlichen Faktencheck, weil er „einem professionell organisierten und moderierten Prozess der Tatsachenklärung nicht gewachsen“ sei, glaubt Engelhardt.

Er hatte mehrere Verfahrensregeln wie eine unabhängige Moderation, einen abgestimmten Fragenkatalog, die Forderung nach Belegung sämtlicher Argumente und ein getrenntes Resümee gefordert. Diese Form lehnte aber nicht nur die Bahn ab, sondern auch Martin Körner und Jochen Stopper.

Die Frage der Leistungsfähigkeit stellt sich im Rathaus dennoch: Am 13. April soll über den Widerspruch gegen die Ablehnung des Bürgerentscheids befunden werden. Dann muss die Stadt die Vorhaltungen der Kritiker entkräften.