Die vom Stuttgarter Ordnungsamt vorgeschlagene Verlegung der Montagsdemos gegen Stuttgart 21 stößt bei vielen auf offene Ohren. Außer den Parkschützern gibt es kaum Fürsprecher für den Versammlungsort vor dem Bahnhof.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Gangolf Stocker gilt als ein Urvater des Widerstands gegen das Großprojekt Stuttgart 21. Er ist der Initiator der Montagsdemos, die, in ganz kleinem Kreis begonnen, im Jahr 2010 auf fünfstellige Teilnehmerzahlen anwuchsen.

 

Von S 21 ist Gangolf Stocker nach wie vor nicht überzeugt. Das gilt inzwischen aber auch für die Montagsdemos, die er einst ins Leben rief und um die in der Stadt eine neue Diskussion entbrannt ist, weil sie vom Bahnhof wegverlegt werden sollen. „Ich bin über diese Form des Protests nicht glücklich“, sagt Stocker. Schon lange rege er sich darüber auf ,,wie man die Leute da Woche für Woche sich selbst überlässt“. Man präsentiere den tausenden Teilnehmern immer wieder mit „großartigen Parolen. Dabei ist doch alles vorbei“, sagt er resigniert. Denn: „Wir werden das Projekt aus eigener Kraft nicht mehr stoppen“, so der einstige Kopf des Widerstands.

Mehrfach habe er schon versucht, die Botschaft an die Organisatoren der Montagsdemos, die Parkschützer, heranzutragen. Anlassbezogene Demos, bei Baufortschritten, die oft auch „neue Skandale“ in Stockers Augen sind, würde er indes befürworten. Auch wenn es diese gibt – so etwa am Mittwoch in Wangen gegen den Tunnelanstich für die Unterquerung des Neckars – Stocker dringt mit seinem Vorschlag nicht durch. Stattdessen, so wurde es auch diesen Montag vor dem Kopfbahnhof triumphal verkündet, sei schon eine Reihe weiterer regelmäßiger Demonstrationen angemeldet, am angestammten Platz vor dem Hauptbahnhof.

Parkschützer wollen vor das Verwaltungsgericht ziehen

Dort sollen die Demonstranten aber nicht mehr Woche für Woche stehen. Das Ordnungsamt hat einen Auflagenbescheid erlassen und zwei neue mögliche Orte vorgeschlagen. Wäre von den Parkschützern kein Einspruch gekommen, hätte das Ordnungsamt für den kommenden Montag die Lautenschlagerstraße als Versammlungsort angewiesen. Der Einspruch kam am Dienstagnachmittag. Nicht nur das: die Parkschützer sind entschlossen, gegen den Bescheid zu klagen, sagt ihr Sprecher Matthias von Herrmann. Und er fügt hinzu: „Bürgermeister Martin Schairer hat keine Chance.“

Für die Verlegung der Demo gibt es indes eine erstaunlich breite politische Mehrheit. Die Grünen schlagen den Marktplatz als Versammlungsort vor, CDU und FDP hatten im Herbst und Frühjahr schon Anfragen und Anträge zum Thema Staus und Behinderungen durch die Montagsdemos gestellt. „Wir begrüßen die Entscheidung“, sagt Alexander Kotz (CDU). „Herrn Schairers Initiative ist sehr löblich“, meint der FDP-Fraktionsvorsitzende Bernd Klingler .

Auch in den Reihen der Stuttgart-21-Gegner gibt es Stimmen, die sich längst für eine Verlegung vom Bahnhof weg ausgesprochen haben: „Seit Jahren gibt es einen Mehrheitsbeschluss des Aktionsbündnisses, die Kundgebungen am liebsten auf dem Marktplatz abzuhalten“, sagt Clarissa Seitz, Grünen-Stadträtin und Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. „Wir haben aber auf das Demo-Team keinerlei Einfluss mehr“, bedauert sie. Zwar sehe sie die Frage, ob die Demos noch etwas bringen, „deutlich leidenschaftsloser als mein Kollege Gangolf Stocker“, kommentiert sie die Position des SÖS-Stadtrats. „Aber wenn die Leute das Bedürfnis haben zu demonstrieren, dann muss man ihnen auch die Gelegenheit dazu geben.“ Allerdings solle darunter weder der Autofahrer noch der ÖPNV-Nutzer leiden.

Leidenschaftlicher äußert sich der SÖS-Fraktionsvorsitzende Hannes Rockenbauch, der nicht mehr im Aktionsbündnis aktiv ist: „Die Montagsdemo ist eine absolut notwendige Institution geworden“, sagt er. Man müsse aber immer wieder diskutieren, ob sie „nach außen noch die richtige Wirkung auf die Politik hat“, fügt er hinzu. Nach innen, in die Bewegung und die Bürgerschaft hinein, bringe die Demo „wahnsinnig viel. Sie ist eine Austauschplattform.“ Er verstehe aber auch, dass es Menschen gibt, die sich über die Verkehrsstaus ärgern. Dass die Diskussion über den Versammlungsort nun „von oben“ , aus dem Rathaus ausgelöst wurde, ärgert Rockenbauch: „Wo ist denn da die neue Kultur des Gehörtwerdens unter Kretschmann und Kuhn?“ Was man ob der Diskussion nicht vergessen dürfe, sei, dass der Ärger rund um die Montagsdemo kein Gradmesser für den Gemütszustand der Stuttgarter sei: „Es gibt viele, die die Staus nerven, aber trotzdem gegen Stuttgart 21 sind.“