Juristen raten der Bahn, die so genannte „Sprechklausel“ aus der Vereinbarung zu Stuttgart 21 nicht zu ziehen. Diese verpflichtet die Projektpartner zu Gesprächen darüber, wer die Mehrkosten trägt. Ein Rechtsstreit darüber lähme das Projekt.

Die Deutsche Bahn will offenbar die sogenannte Sprechklausel, die in der Finanzierungsvereinbarung für Stuttgart 21 im Fall von Mehrkosten über die vereinbarte Höchstsumme von 4,52 Milliarden Euro hinaus das weitere Vorgehen zwischen den Projektpartnern regeln soll, doch nicht ziehen. Das geht aus einer Antwort des Bahnvorstandes auf Fragen des Aufsichtsrats nach der rechtlichen Position der Bahn hervor, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Darin heißt es, der Bahnvorstand habe die Rechtsposition der DB AG in Bezug auf die Finanzierungsvereinbarung und insbesondere die Auslegung der Sprechklausel juristisch durch die renommierte Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer prüfen lassen.

 

Auf Grundlage dieses Rechtsgutachtens sei der Vorstand „zu der Einschätzung gelangt, dass eine gerichtliche Klärung der Finanzierung der Mehrkosten aus der festgestellten Kalkulationsdifferenz (absehbare Mehrkosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro) wenig Erfolg versprechend erscheint“. Nach Ansicht des Vorstandes würde eine voraussichtlich lang andauernde gerichtliche Auseinandersetzung „mit ungewissem Ausgang“ das Projekt insgesamt lähmen und die Zusammenarbeit mit den Projektpartnern Land und Stadt erheblich belasten.

Schwächste Klausel

Bahnchef Rüdiger Grube hatte zuletzt betont, nach seiner Rechtsauffassung verpflichte die Sprechklausel im Finanzierungsvertrag die Partner auch im Falle von Mehrkosten zur weiteren Mitfinanzierung. Dies habe er sich auch von Gutachten bestätigen lassen. Die Sprechklausel gilt im Vertragsrecht als schwächste Klausel: Sie bindet die Vertragspartner lediglich, für den Fall der Fälle Gespräche aufzunehmen, ohne dass sich daraus ein unmittelbarer Handlungszwang ableitet.

Auch die projektkritische Gruppe „Juristen zu Stuttgart 21“ hatte sich kürzlich ausführlich zur Bedeutung der Sprechklausel geäußert. Aus ihrer Sicht ist der Finanzierungsvertrag ungültig, nachdem die dort festgeschriebene Kostenobergrenze – wie von der Bahn eingeräumt – deutlich überschritten wird: Statt maximal 4,5 Milliarden könnten der Tiefbahnhof und seine Anschlusstunnels wie berichtet nunmehr bis zu 6,8 Milliarden Euro kosten. In einem Schreiben an den Stuttgarter OB Fritz Kuhn (Grüne) hatten die Juristen davor gewarnt, der Bahn mit Hinweis auf die Sprechklausel den Weiterbau zu gestatten. Dies gehe finanziell zu Lasten der Projektpartner, solange kein neuer Vertrag über Baukosten und Risiken abgeschlossen sei.