Einer von drei Polizisten, gegen die wegen des Einsatzes gegen Stuttgart-21-Gegner am 30. September 2010 im Schlossgarten ermittelt wurde, akzeptiert die sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Stuttgart - Das Amtsgericht hat Strafbefehle gegen zwei Kommandanten und einen Staffelführer der Polizei ausgestellt. Sie waren bei dem aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz am 30. September 2010 gegen Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten in den Wasserwerfern gesessen beziehungsweise hatten Befehle der Einsatzleitung weitergegeben. Ihnen wird fahrlässige Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Das Gericht hat zwei Beschuldigte mit jeweils siebenmonatigen Freiheitsstrafen belegt, die zur Bewährung ausgesetzt sind. Vom Wasserstrahl, der aus ihren Fahrzeugen abgegeben worden war, wurden fünf beziehungsweise acht Personen verletzt. Der Kommandant, durch dessen Fahrzeug weniger Personen verletzt worden waren, soll eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen bezahlen.

 

Einspruchsfrist ist am Freitag abgelaufen

Das Verfahren gegen einen weiteren Rohrführer wurde gegen die Zahlung einer Geldauflage bereits eingestellt, weil er während des Einsatzes mehrfach Bedenken geäußert habe. Er habe es für falsch gehalten, mit dem Wasserwerfer gegen die S-21-Gegner vorzugehen. Eine Sprecherin des Stuttgarter Amtsgerichts bestätigte am Montag, dass die Strafbefehle Anfang August ausgestellt worden sind und die Einspruchsfrist am Freitag ablief.

An jenem Donnerstag hatten tausende S-21-Gegner versucht, die ersten Baumfällarbeiten im Schlossgarten zu verhindern. Die Polizei, die das Baugelände absichern sollte, ging mit Schlagstöcken, Pfefferspray und später auch mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor. Aufgrund zahlreicher Pannen in der Einsatzplanung verlief der Einsatz chaotisch, viele Demonstranten und einige Polizisten wurden verletzt.

Dienstvorschriften nicht eingehalten

Die zwei Kommandanten und der Staffelführer von der Biberacher Bereitschaftspolizei hätten sich der Körperverletzungen „in einer Reihe von Fällen“ schuldig gemacht, das hätten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben, so die Gerichtssprecherin. Unter den Opfern sei auch der Stuttgarter Dietrich Wagner gewesen. Er war vom Wasserstrahl schwer an den Augen verletzt worden und hat einen Großteil der Sehkraft verloren. Der Wasserwerfer, dessen Strahl ihn traf, verletzte acht Personen. Den Beamten wird vorgeworfen, nicht eingegriffen zu haben, als Wasserstöße die Demonstranten an den Köpfen trafen. Sie hätten nicht auf die Einhaltung entsprechender Dienstvorschriften bestanden.

Die Reaktion der Polizisten auf den Strafbefehl fiel unterschiedlich aus. Einer akzeptierte die sieben Monate auf Bewährung, der andere, den das gleiche Strafmaß traf, legte dagegen Einspruch ein. Es heißt, er überlege noch, diesen zurückzuziehen. Definitiv für den Einspruch entschieden habe sich der Beamte, der eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zahlen soll. Damit ist klar, dass es zumindest ein Verfahren gegen einen Kommandanten am Amtsgericht geben wird, nämlich gegen denjenigen, der Einspruch eingelegt hat. Wer einen Strafbefehl akzeptiert, dem bleibt eine Verhandlung erspart. Insgesamt war gegen zwölf Beschuldigte ermittelt worden, sechs Verfahren wurden eingestellt. Gegen zwei Polizeiführer wurde im März Anklage erhoben. Das Verfahren am Landgericht gegen sie soll erst 2014 beginnen.

Unterschiedliche Reaktionen

Dietrich Wagners Anwalt Frank-Ulrich Mann hält die Freiheitsstrafe für „recht milde“ angesichts der schweren Verletzungen. So es in dem Amtsgerichtsverfahren um die Wasserstöße aus dem Fahrzeug gehen werde, die Wagner trafen, werde er als Nebenkläger auftreten. Anders sieht es Hans-Jürgen Kirstein, der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die Kollegen nehmen zum Teil das Strafmaß an, um mit der Geschichte abzuschließen“, sagte er.

Juristische Folgen des Schwarzen Donnerstags

Ermittlungen
Es hat bis zum 27. März dieses Jahres gedauert, bis das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft zu den Wasserwerfereinsätzen am 30. September 2010 – dem Schwarzen Donnerstag – vorlag. Die Staatsanwaltschaft begründete dies mit dem umfangreichen Akten-, Video- und Bildmaterial. Die Ermittlungsakten umfassen 37 Aktenordner.

Konsequenzen
Bei einem Strafmaß von mehr als 90 Tagessätzen gelten die Beamten als vorbestraft. Zusätzlich zu den strafrechtlichen Konsequenzen haben sie noch polizeiintern mit disziplinarrechtlichen Folgen zu rechnen. Eine weitere wichtige Grenze für Polizeibeamte ist das Strafmaß einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Wird dieses verhängt, erfolgt automatisch die Entlassung aus dem Dienst und damit auch aus dem Beamtenverhältnis.