Im Untertürkheimer Lindenschulviertel wird es wieder laut, der Tunnelbau für S 21 nähert sich. Die Bahn bietet Lärmgeplagten an, auswärts zu schlafen. Anwohner haben hingegen einen anderen Vorschlag.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart -

 

Die Vorwarnung landet dieser Tage in den Briefkästen. Die Bahn verschickt im Untertürkheimer Lindenschulviertel Anwohnerinformationen. Die Schreiben weisen die Empfänger darauf hin, dass sich die Tunnelbaustelle für Stuttgart 21 auf den Bereich ihrer Häuser zubewegt. Sind die lärmintensiven Arbeiten weniger als 100 Meter von den Gebäuden entfernt, bietet die Bahnprojektgesellschaft Stuttgart–Ulm (PSU) den betroffenen Anwohnern den vorübergehenden Umzug in ein Hotel an. „In einer ersten Tranche wenden wir uns an die Bewohner von 15 Gebäuden“, sagt ein Projektsprecher auf Anfrage. Die Anwohner könnten erstmals die Nacht auf Samstag, 4. März, auf Kosten der Bahn auswärts verbringen.

Die Tunnel verlaufen in nur geringer Tiefe

Zwei Gründe lassen den Tunnelbau unter dem Viertel zwischen dem Neckar und der Benzstraße für die Anwohner besonders spürbar werden. Zum einen beträgt der Abstand zwischen der Geländeoberfläche und dem Tunnel nur noch weniger als 20 Meter. Zum anderen kann die Bahn wegen behördlicher Vorgaben in diesem Bereich nur bis 22 Uhr durch Sprengen des Gesteins vorantreiben. Erst am nächsten Morgen um 6 Uhr darf wieder gesprengt werden. Da der Tunnelvortrieb in der Zwischenzeit aber nicht stillstehen soll, kommen große Meißel zum Einsatz, was besonders laut ist. Diese Geräte hatten auch schon Anwohner jenseits des Neckars in Wangen auf die Barrikaden getrieben. Dort gab die Bahn erstmals bei Stuttgart 21 Hotelgutscheine aus.

Testweise durfte die Bahn bis 8. Februar noch eine jeweils letzte Sprengung des Tages bis 24 Uhr zünden. Den Zeitraum bis zum nächsten Morgen verbrachten die Mineure dann mit dem Abtransport des gelockerten Gesteins, der Sicherung der neu entstandenen Tunnelmeter sowie der Vorbereitung der nächsten Sprengung. Ende Januar beantragte die Bahn bei der zuständigen Landesbergdirektion in Freiburg eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung. Die blieb aus. Seitdem meißeln die Mineure wieder in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr. Die Freiburger Behörde stimmt sich derzeit mit dem Eisenbahn-Bundesamt ab. Wenn die Beratungen abgeschlossen sind, werde „zeitnah über den Verlängerungsantrag entschieden“, erklärt ein Sprecher des Freiburger Amts.

Anwohner fordern nächtliche Baupause

Die Anwohner des Lindenschulviertels hatten bereits beim Bau einer ersten Tunnelröhre für Stuttgart 21 unter ihren Gebäuden auf eine nächtliche Baupause gedrungen. Bestärkt sahen sie sich in diesem Anliegen, als die Bahn beim Bau eines Tunnels in Ulm dieses Entgegenkommen gezeigt hat. Forderungen, denen sich zuletzt die Gemeinderatsfraktion der Grünen, der örtliche Bezirksbeirat sowie das „Infobündnis Zukunft Schiene – Obere Neckarvororte“ angeschlossen haben. Der Zusammenschluss der projektkritischen Anwohner schrieb bereits im Januar an Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) unter anderem: „Es ist Ihre Aufgabe als Bürgermeister für Sicherheit und Ordnung, für eine ungestörte Nachtruhe aller Stuttgarter/-innen zu sorgen, auch derjenigen, die im Lindenschulviertel wohnen!“ Im Rathaus heißt es, dass für die Beantwortung der verschiedenen Vorstöße eine Vielzahl von beteiligten Stellen zu hören sei und die Beantwortung daher noch etwas dauern könne.

Der 24-Stunden-Betrieb auf der Tunnelbaustelle ist im sogenannten Planfeststellungsbeschluss, vergleichbar der Baugenehmigung, geregelt. In dem Beschluss vom 16. Mai 2007, der den Tunnelbau zwischen Innenstadt und Neckartal betrifft, heißt es unter anderem: „Die Arbeiten an den bergmännischen Tunnelbauwerken setzen einen Durchlaufbetrieb (24 Stunden pro Arbeitstag, 7 Arbeitstage pro Woche) voraus und gehen von einem uneingeschränkten Baubetrieb auch auf den Baustelleneinrichtungsflächen aus.“