Verschiedene Umweltverbände kritisieren die Bundesregierung wegen vermuteter politischer Einflussnahme beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21. Sie fordern Aufklärung.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Im Streit über Unfallrisiken, die durch das starke Gefälle der Gleise und Bahnsteige im geplanten Stuttgarter Tiefbahnhof verursacht werden können, nehmen die Kritiker von Stuttgart 21 nun das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und die Bundesregierung aufs Korn. „Die Sicherheit der Fahrgäste wurde fahrlässig politischen Ideen zur Stadtentwicklung geopfert“, kritisiert Gerhard Pfeifer, der Geschäftsführer des BUND. Die Umweltschützer fordern Aufklärung über die vermutete unzulässige politische Einflussnahme auf das EBA.

 

Ist der Beschluss rechtswidrig zustande gekommen?

Wie berichtet kommt der Verkehrsexperte und langjährige Bahnplaner Sven Andersen in einem Gutachten für den BUND und den VCD zu dem Ergebnis, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Tunnelbahnhof rechtswidrig zustande gekommen sei. Die Gleisneigung liege sechsfach über dem Grenzwert und hätte laut Gesetz nur bei einem Nachweis gleicher Sicherheit wie in einem ebenen Bahnhof erteilt werden dürfen. Dieser Nachweis aber fehle. Das habe das EBA auch selbst durch Aussagen seines Vizepräsidenten bestätigt.

Andersen warnt in seiner Risikoanalyse vor Unfallgefahren, so sei „alle 4,5 bis 5,5 Jahre ein schwerwiegendes Schadensereignis zu erwarten“. Innerhalb der 430 Meter langen unterirdischen Bahnsteighalle soll es im Stuttgarter Untergrund einen Höhenunterschied von fast 6,50 Metern geben. Zulässig wäre eigentlich kaum mehr als ein Meter. Durch das starke Gefälle könnten Züge einfach wegrollen und schwere Unfälle verursachen, warnt Andersen. Deshalb würden weltweit Bahnhöfe eben gebaut. In Stuttgart wäre ein ebener Tiefbahnhof noch viel teurer geworden und kaum zu finanzieren gewesen. BUND und VCD fordern nun „einen für die Fahrgäste sicheren und gesetzeskonformen Bau“ und die Begrenzung auf die zulässige Regelneigung von höchstens 2,5 Promille statt der genehmigten mehr als 15 Promille.

Gutachter: Gefälle führt zu großen Risiken

Die Verbände wollen die Unfallrisiken und den fehlenden Nachweis nun zum Thema auf der laufenden Anhörung zum bisher nicht genehmigten S 21-Bauabschnitt zum Flughafen auf den Fildern machen. Das genehmigte starke Gefälle in der Tunnelstation würde dem Gutachten zufolge dazu führen, dass versehentlich oder durch Defekte wegrollende Züge bereits nach zehn Sekunden sieben Meter Wegstrecke zurückgelegt hätten und nach 60 Sekunden schon 252 Meter. Würde der Grenzwert eingehalten, wären es nur 85 Zentimeter beziehungsweise knapp 31 Meter.