Behörden in Freiburg und Bonn ringen um eine Lösung für den lauten Tunnelbau für Stuttgart 21 im Stadtbezirk Wangen. Die von der Bahn favorisierten nächtlichen Sprengungen stoßen aber auf Bedenken.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Eine schnelle Lösung für die vom Baulärm geplagten Wangener zeichnet sich nicht ab. Die Bahn, die unter dem Stadtteil einen Tunnel für Stuttgart 21 baut, hatte gehofft, durch eine alternative Bauweise dem Lärmproblem Herr zu werden. Doch die nächtlichen Sprengungen, mit denen die Bahn die lauten Meißelarbeiten unter Tage überflüssig machen wollte, müssen genehmigt werden.

 

Die zuständige Behörde, das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) in Freiburg, scheint indes wenig geneigt, sich der Sichtweise der Bahn anzuschließen. Der Planfeststellungsbeschluss, also die Baugenehmigung, steht nach Auffassung des LGRB „der Sprengung entgegen“. Damit deckt die im Mai 2007 erlassene Genehmigung zum Bau des gut 6000 Meter langen Tunnels nächtliche Sprengungen nicht mit ab. In der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr ist der Einsatz von Sprengstoff erlaubt, in den übrigen Nachtstunden muss gemeißelt werden. Dass sie auch nachts bauen müssen, haben Vertreter der Bahn diese Woche gegenüber Stadträten klar gemacht, die eine nächtliche Baupause ins Gespräch gebracht hatten. Zu aufwendig sei die Sicherung der Tunnelröhre während einer Unterbrechung. Außerdem würde eine verlängerte Bauzeit auch die Belastung der Anwohner in die Länge ziehen.

Experten halten auch die Sprengungen für zu laut

Die Freiburger Tunnelexperten bezweifeln, dass Sprengungen den Wangenern Linderung verschaffen. Sie stützen ihre Einschätzung auf ein von der Bahn beigebrachtes Gutachten. Die Expertise kommt zu dem Schluss, „dass die vom Eisenbahn-Bundesamt mit Planfeststellungsbeschluss festgelegten Anhaltswerte für Erschütterungen zum Schutz von Menschen in Gebäuden bei nächtlichen Sprengungen nicht eingehalten werden können“. Übersetzt: Auch Sprengungen würden die Anwohner der Baustelle über Gebühr belasten.

Das LGRB versucht nun zu ergründen, ob sich das Eisenbahn-Bundesamt dieser Sichtweise anschließt. Bis wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, steht in den Sternen. Ein Sprecher der Freiburger Behörde möchte den ganzen Vorgang über seine schriftliche Stellungnahme hinaus nicht kommentieren.

Bahn sucht Lösung in „intensiven Gesprächen“

Die Betroffenen sind das Warten schon gewöhnt. Zwischen den Messungen der Bahn, nach denen sie für sie selbst überraschend hohe Belastungen einräumte, und dem Antrag, statt meißeln zu müssen, sprengen zu dürfen, sind elf Tage ins Land gegangen. Die Bahn zeigt sich auf Rückfrage zuversichtlich, mit ihrem Lösungsvorschlag durchzudringen. „Wir sind nach wie vor überzeugt, dass die Sprengungen weniger und nur kurzzeitige Belastungen mit sich bringen“, erklärt ein Sprecher der Bahn-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm. Man führe „intensive Gespräche“.

Es ist nicht das erste Mal, dass es Probleme beim Bau in Wangen gibt. Um zur Tunnelsohle vorzudringen hat die Bahn einen Schacht ausgehoben, von dem ein horizontaler Stollen zur eigentlichen Baustelle führt. Beim Graben kam den Mineuren aber mehr Wasser entgegen, als von den Planern prognostiziert. Die Bahn musste umplanen und den Tunnel auf einem dreieinhalb Kilometer langen Abschnitt bis zu vier Meter tiefer als vorgesehen graben.

Betroffene können weiter im Hotel schlafen

Bis sich Bahn, Eisenbahn-Bundesamt und das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau auf eine Lösung für das aktuelle Lärmproblem verständigt haben, können die Betroffenen auf Kosten der Bahn das Weite suchen. Bislang sind fünf Familien aus der Umgebung der Tunnelbaustelle in Hotels gezogen. „Solange die Beeinträchtigungen vorhanden sind, halten wir das Angebot aufrecht“, versichert der Sprecher der Projektgesellschaft.