Das Verwaltungsgericht verbot die Stuttgart-21-Werbung der Industrie- und Handelskammer Ulm. Die IHK greift nun zum letzten Rechtsmittel.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Hundert Quadratmeter, drunter macht es die Industrie- und Handelskammer Ulm nicht, wenn es um Werbung für Stuttgart 21 geht. "Ja!", ruft das riesige Plakat, das an der Kammerfassade hängt, allen Passanten zu, die noch Zweifel haben, ob das Schienenvorhaben für Ulm und die Region das richtige ist. Die Werbung ist gedeckt durch einen Beschluss der Vollversammlung, die sich zuletzt diesen Oktober einstimmig für das Projekt ausgesprochen hat.

 

Dass am 12. Oktober das Verwaltungsgericht Sigmaringen in einem Urteil anwies, das Plakat zu entfernen und der IHK auch noch die Verfahrenskosten aufbürdete, stört die Kammerverantwortlichen zwar, hat sie aber bisher nicht zum Handeln bewogen. Neun unter Zwangsmitgliedschaft stehende Firmen und Gewerbetreibende hatten gegen die ihrer Meinung nach unzulässige Werbung geklagt - und nach mündlicher Verhandlung in Sigmaringen recht bekommen (AZ: 1K3870/10).

Die Verwaltungsrichter hoben in ihrem Urteil mit Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hervor, Industrie- und Handelskammern könnten nicht gleich handeln und sprechen wie politische Parteien oder Interessenverbände. Sie müssten als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft "das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen". Zurückhaltend, sachlich, argumentierend, gegebenenfalls sogar Minderheitenpositionen aufgreifend, so müsse eine IHK öffentlich agieren, heißt es in dem sehr klaren Urteil.

Das Gericht findet viel Polemik

Dazu passen die Worte schlecht, die von der Ulmer IHK für ihr Plakat gewählt wurden. "Allerhöchste Eisenbahn!", heißt es da appellativ, und außerdem noch: "Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21". Argumente sind das nicht. Die Homepage der Kammer könnte sie liefern, aber auch hier fand das Gericht viel Polemik. Zum Sigmaringer Urteil gehört deswegen auch das Verbot mehrerer im Internet gemachter Äußerungen, zum Beispiel: "Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21"; "Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker"; "Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg (...) auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde"; "Ein Scheitern von Stuttgart 21 (...) würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen"; "Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind".

Eine Berufung gegen das Urteil hat das Sigmaringer Gericht nicht zugelassen und auch gleich ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro angedroht, falls die Unterlassungsverpflichtungen ignoriert würden. Die IHK Ulm hat nun nach dem letzten Rechtsmittel gegriffen und einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim gestellt. Der Ulmer Kammerpräsident Peter Kulitz begründet das damit, er habe aus der mündlichen Verhandlung in Sigmaringen mitgenommen, dass Industrie- und Handelskammern grundsätzlich sehr wohl zu Fragen von öffentlichem Belang Stellung beziehen dürften. "Aber wo ist der Spielraum? Das will ich wissen", sagt Kulitz, seit knapp einem Jahr auch Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages.

Den Verdacht, dass die IHK-Spitze in Ulm etwa auf Zeit spielt, dass sie ihr Plakat so lange wie möglich hängen lassen will, um damit Einfluss auf den Volksentscheid Ende des Monats zu nehmen, weist Kulitz zurück. "Wenn das schriftliche Urteil da ist und die Vollstreckung vorliegt, werden wir das Ding auch abhängen", sagt er. Zugleich macht er keinen Hehl aus seinem Werbewillen pro S 21. Das Ergebnis der Volksabstimmung habe eine "hohe Symbolik", auch wenn sie das Projekt nicht kippe. "Die Gegner gehen bestimmt alle zum Abstimmen", warnt Kulitz. "Wir müssen Flagge zeigen", glaubt er - und das, ohne alle Argumente "noch mal aufzuwärmen".