Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, eine Expertenanhörung im Bundestag: Die Gegner des Großprojekts Stuttgart 21 sind hochaktiv.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - An Versuchen, den Umbau des Stuttgarter Bahnknotens zu stoppen oder gar die Arbeiten erst gar nicht beginnen zu lassen, hat es in den vergangenen Jahren nicht gefehlt. Auch wenn die Montagsdemonstrationen der Gegner des Großprojekts nicht mehr den Zulauf erfahren wie zu Hochzeiten der Auseinandersetzung und Blockadeaktionen an den Baustellen der Vergangenheit angehören, legen die Gegner in diesen Wochen gefühlt nochmals eine Schippe drauf, das Projekt gerichtlich, inhaltlich oder politisch zu hinterfragen. Ein Überblick:

 

Die Volksabstimmung im November 2011 war weder die erste noch die letzte direktdemokratische Initiative im Zusammenhang mit dem Milliardenprojekt. Aktuell prüft die Stadtverwaltung zwei Bürgerbegehren, die das Ziel haben, einen Bürgerentscheid über die Frage herbeizuführen, ob die Stadt nicht besser aus dem Vorhaben aussteigen solle. Vieles spricht dafür, dass man im Rathaus erst einmal die Entscheidung abwartet, die der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in Sachen Bürgerentscheid trifft. Die obersten baden-württembergischen Richter befassen sich am Dienstag allerdings nicht mit einem der aktuellen Bürgerbegehren, sondern mit einem Vorstoß, der auf das Jahr 2011 zurückgeht. Damals stellten Projektkritiker die finanzielle Beteiligung der Stadt in Frage – die sei nicht mit der Verfassung vereinbar. Diese regle eindeutig, dass sich reiche Städte, Regionen oder Bundesländer eben nicht an Infrastrukturmaßnahmen des Bundes beteiligen dürften, weil sie sich andernfalls einen Vorteil gegenüber weniger solventen Ecken der Republik verschaffen könnten. Die Initiatoren um die Filmemacherin Sigrid Klausmann-Sittler hatten die erforderliche Zahl an Unterschriften zusammenbekommen, doch der Gemeinderat lehnte ihren Vorstoß ab. Dagegen klagten die Projektgegner vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart und unterlagen. Ob zu recht, soll nun der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim klären. Eisenhart von Loeper, Jurist und Sprecher des Aktionsbündnises gegen Stuttgart 21, sieht gute Chancen, in Mannheim zumindest in Teilen recht zu bekommen.

Kritiker sehen viele Fragen unbeantwortet

Abgesehen von diesen juristischen Einschätzungen sehen Projektkritiker noch eine ganze Reihe von Fragen unbeantwortet. Den umfangreichsten Katalog hat in diesem Zusammenhang Christoph Engelhardt vorgelegt, der die Internetplattform wikireal.org mitgegründet hat. Der Physiker nimmt in einem offenen Brief von Anfang April Bezug auf ein ausführliches Interview des Stuttgarts-21-Chefs Manfred Leger, in dem er in der Stuttgarter Zeitung eine schnellere Gangart ankündigte und erklärte, über das Wie und nicht über das Warum des Bahnhofsumbaus sprechen zu wollen. Engelhardt erinnert den Wirtschaftsingenieur Leger an aus seiner Sicht unbeantwortete Fragen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Durchgangsbahnhofs, der Dimensionierung der Fußgängeranlagen in der Station, der Neigung der Gleise sowie des Brandschutzes. Auf all diese Themen, die auch bei der öffentlichen Diskussion der mittlerweile zurückgezogenen Pläne für den S-21-Abschnitt am Flughafen eine Rolle gespielt haben, sei die Bahn Antworten schuldig geblieben. Wenn es Leger ernst sei mit der beschworenen neuen Transparenz, dürfe er sich diesen Fragen nicht entziehen. Engelhardt bietet einen Dialog an. Eine Antwort hat die Bahn bisher noch nicht veröffentlicht.