51 Züge oder doch bloß 42? Ein Satz vom Gutachter – und erneut steht die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs in Stuttgart auf dem Prüfstand. Kritiker des Projekts jedenfalls sehen keine „überlegene Aufnahmefähigkeit“.

Stuttgart - Eigentlich schien das Thema über die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs bei Stuttgart 21 zu den Akten gelegt, Aufschrift: erledigt. Nach Schlichtung und Stresstest gab es zwar zwischen Befürwortern und Gegnern weiterhin Differenzen darüber, ob der neue Tiefbahnhof wirklich wie versprochen so viel oder überhaupt leistungsfähiger sein würde als der heutige Kopfbahnhof. Doch die Argumente waren ausgetauscht. Nun bekommt die Frage überraschend erneut Aktualität: In laufenden Planfeststellungsverfahren und in einem von zwei neuen Bürgerbegehren, die am Freitag vom Aktionsbündnis und den Parkschützern vorgestellt werden, wagen S-21-Kritiker einen neuen Vorstoß.

 

Der Auslöser ist ein Zitat des Professors Ullrich Martin, das aber – wie oft bei S 21 – unterschiedlich interpretiert wird. Der Leiter des Instituts für Eisenbahn- und Verkehrswesen an der Uni Stuttgart erklärte vor einiger Zeit, dass „unter den veränderten Bedingungen eine praktisch relevante Kapazität von 42 bis 51 Zügen für den Durchgangsbahnhof Stuttgart 21 ermittelt wurde (wobei eher eine Orientierung am unteren Ende dieses Bereichs empfohlen wurde oder zusätzliche betriebliche Maßnahmen vorgesehen werden sollten.)“

Christoph Engelhardt, der Experte der S-21-kritischen Gruppe Wikireal, sieht damit die in Planfeststellungsbeschlüssen und Gerichtsurteilen mit Verweis auf Gutachten von Martin aufgeführte Kapazitätsreserve des neuen Tiefbahnhofs, nämlich 51 Züge, offiziell korrigiert – und diesen Entscheidungen damit die sachlichen Grundlage entzogen. Martin, von der StZ auf diese Schlussfolgerungen angesprochen, erklärte: „Meine Aussagen zur Leistungsfähigkeit des Durchgangsbahnhofs sind seit der Untersuchung im Jahr 2005 unverändert.“ Sie seien auch durch den späteren Stresstest, an dem er nicht beteiligt gewesen sei, „grundsätzlich bestätigt“ worden.


Engelhardt indes sieht durch die neuen Angaben Martins die von S-21-Kritikern schon immer bezweifelte „überlegene Leistungsfähigkeit“ des Tiefbahnhofs endgültig widerlegt. S 21 sei nur auf 32 Züge ausgelegt, meint Engelhardt, und damit dem heutigen Kopfbahnhof, der aktuell 38 Züge leiste und mehr als 50 Züge aufnehmen könne, unterlegen. „Nun ist der einzige Beleg der überlegenen Aufnahmefähigkeit von S 21 hinfällig. Damit sind dem VGH-Urteil und der Planfeststellung ihre sachlichen Begründungen entzogen, die Planfeststellung ist hinfällig“, sagt Engelhardt.Dieser Einschätzung folgend ist Engelhardt mehrfach tätig geworden. Am letzten Tag der Erörterungsverhandlung zum Grundwassermanagement stellte er einen Antrag auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses zu Stuttgart 21 und verlangte einen Baustopp, womit sich nun das Regierungspräsidium und das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) als Genehmigungsbehörde beschäftigen müssen. Eine Eba-Sprecherin bestätigte, dass die Anträge und Einwendungen eingegangen seien. Sie würden noch bearbeitet, deshalb werde man sie momentan nicht kommentieren.

Für Engelhardt sind zudem Abriss- oder Enteignungsverfügungen wie zuletzt für ein Haus in der Sängerstraße rechtlich fragwürdig. Wenn der verkehrliche Nutzen von S 21 nicht mehr belegt sei, bestehe auch kein öffentliches Interesse, sagt er.