Die Bahn muss beim Projekt Stuttgart 21 ihrer Baustelle am Neckar zusätzliche Erkundungsbohrungen vornehmen. Sie will Erkenntnisse über wasserführende Schichten gewinnen.

Stuttgart - Die Bahn hat von ihrer Baustelle an der Ulmer Straße aus bereits den ersten Tunnel unter dem Neckar durchgetrieben. Bei der zweiten, paralleln Röhre, werden zusätzliche Erkundungsbohrungen nötig. Damit sollen „im Bereich des Wangener Großmarktes spezifischere Informationen und Erkenntnisse über die wasserführenden Schichten“ gewonnen werden, teilt eine Projektsprecherin mit.

 

Auf dem Weg nach Obertürkheim trafen die Mineure mit der ersten Röhre auf trockenes Gestein, die Bahn baut aber insgesamt nah am Wasser. Für die Oströhre habe sich herausgestellt, dass trotz umfangreicher geologischer Erkundungen im Vorfeld weitere nötig seien. 2011 hatte die Bahn ihr geotechnisches Erkundungsprogramm aufgelegt. Der Vortrieb verlaufe trotz der Zusatzarbeit planmäßig, so die Sprecherin.

Tunnel 4,6 Millionen teurer

Die Erkundungsbohrungen hat die Bahn an die Arbeitsgemeinschaft Atcost 21 aus Österreich vergeben. Augenscheinlich zum sensationell niedrigen Preis von einem Euro, denn nur um diesen hat sich der gesamte Auftragswert auf nun 300 973 399,93 Euro für die Tunnel vom Hauptbahnhof nach Ober- und Untertürkheim erhöht. Doch der Augenschein täuscht. Der Euro, für den man früher ganze Backketten kaufen konnte, hat in ein Formular des Europäischen Amtsblattes gefunden, „weil die elektronische Datenverarbeitung einen Strich nicht akzeptiert“, so ein S-21-Sprecher. Genau so wenig sei es möglich, den alten Auftragswert in die neue Zeile zu setzen. Ebenfalls unmöglich sei es, den tatsächlichen Auftragswert für diese Einzelarbeit anzugeben, das lasse der Vertag zwischen Bahn und dem Auftragnehmer nicht zu. Also wählte die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH den einen Euro. Der ist also Symbolik statt tatsächlicher Wert.

Neuer Termin für Lenkungskreis

Tatsächlich haben sich die Bauarbeiten für die Tunnel seit der Auftragsvergabe um 4 617 854,92 Euro verteuert. Ob die Ursache dafür Zusatzleistungen, so genannte Nachträge, oder zuvor vereinbarte Inflationszuschläge oder Gleitpreise für Stahl oder Beton waren, diese Frage beantwortet die Projektgesellschaft nicht. Vertragsdetails wolle man nicht weiter vertiefen, man bitte um Verständnis.

Über den aktuellen Kostenstand bei Stuttgart 21 wird Bahn-Vorstand Volker Kefer am 15. Juni den Bahn-Aufsichtsrat unterrichten. Einen Tag darauf trifft sich am Flughafen der politisch besetzte S-21-Lenkungskreis. Die Sitzung war bereits für den 9. Mai terminiert und hätte am morgigen Donnerstag stattfinden sollen. Da der Aufsichtsrat Priorität genießt, muss der Lenkungskreis mit Verkehrsminister Winfried Hermann, OB Fritz Kuhn (beide Grüne), Regionaldirektorin Nicola Schelling und zu diesem Termin Flughafen-Direktor Walter Schoefer warten.

VCD fordert Geld vom Bund für S 21

Den weiter erheblichen Verzögerungen im Terminplan am Hauptbahnhof und Flughafen will die Bahn mit „Gegensteuerungsmaßnahmen“ begegnen. Sie könnten das im März 2013 von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro geweitete Budget belasten. Der Landesverband des Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert, dass nicht die Bahn AG, sondern der Bund die damals festgestellten Mehrkosten übernimmt. Das Bundeskanzleramt habe damals massiv auf unternehmerische Entscheidungen der Bahn AG Einfluss genommen. Der Aufsichtsrat habe sich, sagt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb, „aus politischen Gründen gegen die ökonomische Vernunft und für die Fortsetzung des für die DB AG unwirtschaftlichen Projekts entscheiden“. Um Verstöße gegen das Aktienrecht zu vermeiden müsse der Bund Verluste der Bahn aufgrund des Weiterbaus von Stuttgart 21 ausgleichen.