Die Jugendfarm in Stammheim bietet die Nähe zur Natur als Alternative zum Computerspielen zu Hause.

Stammheim - Die neunjährige Karla kümmert sich um Spezi, während ihre Freundinnen noch mit Bacardi beschäftigt sind. Danach pflegen die Mädchen der Donnerstags-Reitgruppe auch noch die anderen beiden Ponys der Jugendfarm Stammheim: Nico und Nicky. Wie bei eigenen Pferden ist Stall ausmisten und Fellpflege auch hier Pflichtarbeit, wenn man reiten möchte.

 

Die kleinen Reiterinnen erledigen das bereits recht selbstständig, teils natürlich begleitet von Betreuern. Im Anschluss drehen die Mädchen auf dem Reitplatz ein paar Runden auf den Ponys. Unweit des Reitplatzes stehen einstöckige und zweistöckige Holzhütten. Um so eine Hütte bauen zu dürfen, müssen sich mindestens drei Kinder zusammentun. Und damit alles seine Ordnung hat, wird in einem Hüttenbuch festgehalten, wer die jungen Bauherren sind.

Klischeehaft, mag nun manch einer glauben: Die Buben bauen Hütten und die Mädchen reiten. „Das stimmt so nur teilweise“, widerspricht Sigrun Dannemann, eine der drei hauptamtlichen Betreuerinnen. Zwar sind 95 Prozent der Teilnehmer der Reitgruppen Mädchen, aber bei den Hütten gibt es durchaus einen Gleichstand. Außerdem hat die Farm viel mehr im Angebot als reiten und Hütten bauen. Auf dem Programm stehen basteln, werken, kochen, töpfern oder auch Stockbrot backen am Lagerfeuer. Überdies gilt es, sich neben den Ponys um neun Kaninchen, drei Ziegen, ein Meerschweinchen und ein Huhn zu kümmern, das bisweilen als Eierlieferant für das Mittagessen am Samstag dient.

Mittwochs von 15 bis 17 Uhr ist der Kleinkindernachmittag. Dann dürfen Kinder unter sechs Jahren die Farm nutzen. Und ausnahmsweise sind an diesem Tag auch Eltern erlaubt. „Die sitzen anfangs meist noch ängstlich daneben, aber sie merken mit der Zeit, was ihre Kleinen selbstständig bewerkstelligen können“, sagt Dannemann.

In den Sommerferien wird es wuselig

An den anderen Tagen von Dienstag bis Samstag tummeln sich durchschnittlich 30 Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren auf der Jugendfarm. „In den Sommerferien wuseln schon mal mehr als 100 Kinder am Tag über das Gelände“, erzählt Jannike Schwalk, die hier den praktischen Teil ihres Studiums absolviert.

Die Besucher der Jugendfarm kommen nicht nur aus Stammheim, sondern auch aus der Nachbarschaft, zum Beispiel aus Münchingen oder Kornwestheim. „Die Eltern freuen sich, wenn ihre Kinder bei uns sind, statt daheim vor dem Fernseher zu versauern oder am Computer zu spielen“, sagt Dannemann.

Auch zu Zeiten als es im Fernsehen nur drei Programme gab, lange vor dem Siegeszug von Heimcomputern und Spielkonsolen, zog es Kinder auf die Jugendfarm. Seit 1972 bietet diese als eingetragener Verein in offener Jugendarbeit Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, Selbstständigkeit zu erlernen und die Freizeit naturnah zu gestalten. „Die Lebensräume, in denen die Kinder damals spielen und sich austoben konnten, wurden immer weiter eingeschränkt – kaum noch Natur, mehr Industrie und eine Zunahme des Straßenverkehrs“, sagt Dannemann

Die Jugendfarm versucht heute wie damals, in Stadtnähe eine Ausgleichsmöglichkeit bei der Freizeitgestaltung zu bieten“, sagt Dannemann. Das bedeutet allerdings nicht, dass die jungen Besucher sich selbst überlassen werden, und es ist auch kein Selbstläufer. Neben den Hauptamtlichen arbeiten dort noch zwei Sozialpädagogik-Studentinnen der dualen Hochschule, die im Drei-Monat-Rhythmus zwischen der Hochschule und der Praxis wechseln. Unterstützt werden diese von Praktikanten, ehrenamtlichen Helfern und – wenn sich einer findet – von einem Bundesfreiwilligendienstler.