Trotz der Kritik möchte der Bau- und Wohnungsverein sein Projekt an der Beethovenstraße 60 bis 70 verwirklichen. Eine Sanierung kommt für den Verein nicht in Frage.

Stuttgart-Botnang - Der geplante Abriss der Gebäude an der Beethovenstraße 60 bis 70 sorgte in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirates für reichlich Emotionen.

 

Jürgen Oelschläger vom Bau- und Wohnungsverein (BWV) Stuttgart war der Einladung des Bezirksbeirates gefolgt: „Ich bin dankbar, dass ich hier ganz rational einmal einen Sachstandsbericht zum Projekt geben kann.“ In den vergangenen Monaten wurden die Pläne des Bau- und Wohnungsvereins, die drei Gebäude aus dem Jahr 1927 abzureißen, immer wieder kritisiert. Zwei der 48 Mietparteien hatten sich sogar geweigert, bis zum Stichtag 30. November vergangenen Jahres auszuziehen. Der BWV zog vor Gericht – und scheiterte. Die Kündigung sei „unwirksam“, entschied das Amtsgericht Stuttgart. „Wir haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt“, sagte Oelschläger. Bei dem Verfahren sei es nicht darum gegangen, dass der BWV nicht abreißen und neu bauen dürfe. Es sei um Formalien gegangen. „Wir halten weiterhin an unseren Plänen fest.“

Die Botnanger Bezirksbeiräte von SÖS-Linke-Plus, die beiden letzten verbliebenen Mietparteien aus der Beethovenstraße 60 bis 70 und die Mieterinitiative um Sprecherin Ursel Beck sind aber der Auffassung, dass die Gebäude und somit bezahlbarer Wohnraum erhalten werden müssen. Laut Oelschläger lagen die Mieten zuletzt zwischen 5,50 und 7,50 Euro pro Quadratmeter und somit deutlich unter den Preisen auf dem freien Wohnungsmarkt. Im Neubau werden es dann wohl zwischen zehn und elf Euro pro Quadratmeter sein. Das sei zu teuer, dafür, dass ein Abriss gar nicht notwendig sei, kritisieren die verbliebenen Mieter. Die Bausubstanz sei noch in Ordnung. Das belege auch ein Gutachten eines Architekturbüros, das von der Mieterinitiative in Auftrag gegeben wurde. „Das Gutachten, von dem Sie sprechen, ist durch Inaugenscheinnahme entstanden. Bei näherer Betrachtung der Gebäude kommt man aber zu einem anderen Schluss“, betonte Oelschläger. Themen wie Brand- und Schallschutz, Energiestandards und Barrierefreiheit könnten durch eine Sanierung nicht optimal oder überhaupt nicht in Angriff genommen werden. „Und die sanitären Anlagen sind 80 oder 90 Jahre alt.“ Zudem würden in dem Gutachten überhaupt keine Kosten genannt. Deshalb würde er auch in diesem Fall auch nicht von einem Gutachten sprechen. „Dieser Begriff ist etwas hochgehängt.“ Der BWV habe im Vorfeld errechnet, dass die Sanierung der Gebäude in etwa genauso teuer sei, wie ein Neubau – nämlich pro Quadratmeter zwischen 2500 bis 2800 Euro kosten würde.

Antrag von SÖS-Linke-Plus findet keine Mehrheit

An dieser Aussage zweifelt allerdings Ilja Gerhardt, der derzeit noch an der Beethovenstraße wohnt. Im Februar 2013 habe der BWV noch von Gesamtkosten in Höhe von 2,3 Millionen Euro gesprochen. „Etwa zwei Jahre später wurde uns die Kündigung zugestellt. Hierin sind Baukosten von mehr als neun Millionen Euro genannt“, sagte Gerhardt. „Somit amortisieren sich die Investitionen erst nach 26 Jahren. Ich gehe davon aus, dass Sie nur wegen der Mietpreisbremse abreißen lassen.“ Ilja Gerhardt hatte schon in der Juni-Sitzung des Bezirksbeirats Gelegenheit, seine Sicht der Dinge zu schildern. „Aber ich hatte nur zwei Minuten Zeit und musste in Frageform vortragen“, ärgerte er sich. „Für heute ist Herr Oelschläger eingeladen und darf lange sprechen. Das ist eine klare Asymmetrie. Ich fühle mich vom Bezirksbeirat nicht vertreten.“

Bezirksvorsteher Wolfgang Stierle hatte zu Beginn der Sitzung allerdings den Ablauf klar erklärt. Jürgen Oelschläger werde berichten. Danach könnten die Bezirksbeiräte Fragen stellen und eine Person hätte dann die Gelegenheit, für die verbliebenen Mieter zu sprechen. „Das ist eine Bezirksbeiratssitzung und keine Mieter- oder Eigentümerversammlung“, betonte Stierle. Doch immer wieder gab es Zwischenrufe – vor allem von Ursel Beck von der Mieterinitiative. Stierle versuchte, das zu unterbinden und drohte damit, die Sitzung zu unterbrechen. „Ich halte mich an die Regularien und werde nicht gestatten, dass hier munter reingeplappert wird. Ich lasse mir die Sitzung nicht durch Zwischenrufe kaputt machen“, sagte ein sichtlich verärgerter Bezirksvorsteher.

Die Botnanger Bezirksbeiräte sprangen Stierle zur Seite. „Ich habe befürchtet, dass nun bei den Mietern Erwartungen geweckt wurden, die nicht erfüllt werden können. Die Mieterinitiative hat sie verladen. Über das Projekt werden die Gerichte entscheiden und das ist auch richtig so“, sagte Michael Schneider (CDU). Und Jens Keller (Grüne) ergänzte: „Wir sind kein Schiedsgericht und das ist auch kein öffentliches Forum, um diesen Konflikt auszutragen. Wir sind ein politisches Gremium.“ Bei aller Sympathie für den vorliegenden Antrag zur Erhaltung der Gebäude an der Beethovenstraße von SÖS-Linke-Plus: Aber der Eigentümer habe das Recht dazu, abzureißen und neu zu bauen. „Wir müssen die Gegebenheiten akzeptieren“, sagte auch Mark Bachofer (SPD). Letztendlich stimmten bei der Enthaltung von Bachofer nur Antragsteller Dirk Hoeber (SÖS-Linke-Plus) und Wolfgang Mayer-Ernst (SPD) dafür, dass der BWV dazu aufgefordert wird, die Gebäude nicht abzureißen, sondern zu sanieren.