„Pfarrer weg – Kirche weg, das bedeutet es nicht“, sagt der Stadtdekan Søren Schwesig. Aber genau das befürchten die Mitglieder der Haigstgemeinde in Stuttgart-Degerloch. Bei einer Versammlung am 29. November geht es um die Zukunft.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Ulrich Schülke ist schockiert. Vergangene Woche hatte er offiziell erfahren, dass die evangelische Haigstgemeinde künftig keinen Pfarrer mehr haben soll. Der 50-Prozent-Job gehört zu den 5,5 Stellen, die das Stadtdekanat Stuttgart bis spätestens Ende 2024 streichen wird. Dagegen will er kämpfen, und er hofft, bei einer Gemeindeversammlung am Mittwoch viele Gleichgesinnte zu finden.

 

Die Kirchengemeinde gibt es seit 1951. Das Gotteshaus sei das einzige öffentliche Gebäude auf dem Haigst, sagt Schülke, und deshalb entsprechend wichtig. Die Kirche sei zum Beispiel auch das Wahllokal. Doch Schülke befürchtet, dass die verlorene Pfarrstelle der Anfang vom Ende sein könnte. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Haigstkirche vom Stadtdekanat als verzichtbar erklärt werden würde. So geschehen im Jahr 2005. Ein Jahr zuvor war die Pfarrstelle von einer ganzen auf eine halbe zusammengestrichen worden. Weil die Haigstler ihre Kirche nicht aufgeben wollten, haben sie eine Stiftung gegründet. Diese hat laut Schülke bis heute fast 400 000 Euro eingenommen. Das Stadtdekanat hat wieder umgeschwenkt. Und nun das neuerliche Streichkonzert.

Den vor Kurzem publik gewordenen Pfarrplan 2024 „halte ich für eine Gemeinheit“, sagt Schülke. „Das wäre eine Riesenenttäuschung.“ Im August habe er mit dem Stadtdekan Søren Schwesig gesprochen und ihn eindringlich gebeten, den Standort nicht weiter zu schwächen. Heute sagt Schülke: „Wir trauen dieser Kirchenverwaltung nicht mehr über den Weg, sie machen nur freundliche Gesichter.“

An der Entscheidung, dass die Pfarrstelle auf dem Haigst gestrichen wird, ist nicht mehr zu rütteln. Das sagt der Stadtdekan Søren Schwesig auf Anfrage. „Wir müssen strukturelle Anpassungen machen, das ist ein schmerzhafter Prozess. Für bestimmte Gemeinden bedeutet es eine Härte.“ Wie eben für die Haigstgemeinde.

Die Kirche sei derzeit nicht verzichtbar

Wann die derzeitige Pfarrerin Anja Wessel versetzt wird, stünde noch nicht fest. Spätestens Ende Dezember 2024. Laut Schwesig soll es weiterhin Gottesdienste in der Haigstgemeinde geben. „Davon gehe ich aus“, sagt er. „Es geht um die Frage: Wie kann eine kirchliche Arbeit vor Ort geschehen?“ Es werde über eine Kooperation mit der Markuskirche in Stuttgart-Süd – wozu die Haigstgemeinde organisatorisch gehört – nachgedacht. Nicht auszuschließen sei zudem eine Neuorientierung für die Haigstgemeinde nach oben, nach Degerloch. Die Gemeinde dort liege für die Haigstbewohner letztlich viel günstiger.

Die Haigstkirche ist nach den Worten des Stadtdekans derzeit nicht verzichtbar. „Pfarrer weg – Kirche weg, das bedeutet es nicht“, sagt er. Allerdings würden die kirchlichen Immobilien alle drei Jahre überprüft. Unter anderem mit der Frage, ob sich das Gotteshaus in dieser Gemeinde noch lohnt. Würde das Stadtdekanat dies nicht tun, sagt Schwesig, „würden wir nur noch in Steine und nicht in Menschen investieren können“.

Ulrich Schülke will noch nicht aufgeben. Eigentlich wollte er Mitte nächster Woche wegfahren. Wegen der Versammlung am Mittwoch muss er nun umdisponieren. „Da muss ich in der Haigstkirche sein, wenn es um diese Schicksalsfrage geht.“

Die Gemeindeversammlung ist am Mittwoch, 29. November. Sie beginnt um 19.30 Uhr und ist in der Haigstkirche, Alte Weinsteige 103. Thema ist der Pfarrplan und was er für die Gemeinde bedeutet.