Eigentlich wollte die Deutsche Bahn am Bahnhof Feuerbach im Februar damit beginnen, den Hausbahnsteig zu erhöhen. Nun soll diese Maßnahme verschoben werden. Der Grund: Höhere Kosten als gedacht.

Feuerbach - Wer auf dem Bahnhof Feuerbach mit einem schweren Koffer steht und eine der haltenden S-Bahnen erwischen will, kann schnell ins Schwitzen kommen. Denn kaum öffnen sich die Zugtüren an Gleis 1, hat jeder Fahrgast erst einmal eine zwanzig Zentimeter hohe Hürde und einen ähnlich breiten Spalt zu überwinden. Rollstuhlfahrer haben daher in Feuerbach komplett das Nachsehen. Aber auch Fahrgäste mit Kinderwagen, Fahrrad oder eben Reisegepäck müssen entsprechend gut zu Fuß sein, wollen sie diese Barriere bewältigen, ohne Kopf und Kragen zu riskieren.

 

Feuerbachs Bezirksvorsteherin Andrea Klöber, die viel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und auch mit dem Fahrrad fährt, hatte schon ihre liebe Müh und Not mit diesem Haltepunkt – auch beim Aussteigen aus der S-Bahn. „Ich war allein unterwegs und hatte mein Fahrrad dabei. Ich habe erst das Rad auf den Bahnsteig geworfen, dann bin ich selbst ausgestiegen“, berichtet Klöber. Letztendlich schien es ihr die risikoärmere Variante zu sein, als mit dem Drahtesel unterm Arm den Balanceakt zu wagen. Das Fahrrad hat den „Rausschmiss“ unbeschadet überstanden.

Feuerbacher setzen sich seit langem ein, dass der Bahnhof barrierefrei ausgebaut wird

Seit Jahrzehnten setzen sich die Feuerbacher dafür ein, dass ihr Bahnhof barrierefrei ausgebaut wird. „Leider macht es die Deutsche Bahn den Pendlern und Nutzern schwer. Nicht nur lange Wege sind es, um vom Industriegebiet zum Bahnsteig zu kommen, sondern der Bahnsteig 1 ist auch nur etwas für sportliche Menschen“, konstatiert Ruth Maier. Die Vorsitzende des Bürgervereins Feuerbach betont, dass die Landeshauptstadt zwar versuche, mit Kampagnen aufgrund der Feinstaubwerte die Bürger zum Umsteigen auf den Öffentlichen Personennahverkehr zu animieren. „Aber dies geht in Feuerbach ins Leere! Die schwere Erreichbarkeit der Bahnsteige lässt einen verzweifeln“, resümiert Maier.

Immerhin hatte sich die Bahn bereiterklärt, im Zuge der S21-Baumaßnahmen zwei Aufzüge am Bahnhof zu bauen und die Bahnsteighöhen an den S-Bahn-Gleisen von derzeit 76 Zentimeter auf 96 Zentimeter auf einer Länge von 210 Metern zu erhöhen. Die Barriere wäre dadurch zumindest verkleinert worden, wegen der Kurvenlage des Bahnhofs sei der Spalt allerdings nicht ganz wegzukriegen. Gleich mitgemacht werden sollte im Zuge dieser Maßnahme der Einbau eines taktilen Blindenleitstreifens sowie die Erneuerung der Beleuchtung und der Einbau von neuen Sitzbänken. So steht es in den Planungsunterlagen und so wurde es bei der Bürgerinformationsveranstaltung am 21. April 2015 von DB-Vertretern kundgetan.

Eigentlich hätte der Umbau im Februar beginnen sollen

Auch die Finanzierung schien geregelt. Der Verband Region Stuttgart hatte sich bereits im Sommer 2014 bereiterklärt, die Planungskosten für den barrierefreien Ausbau in Höhe von 455 000 Euro zu übernehmen. Eine Planungsvereinbarung zwischen der Region Stuttgart und der DB Station & Service AG ist abgeschlossen worden. Gemeinsame Grundlage der Vereinbarung war, dass die Bahnsteigerhöhung parallel zu den Baumaßnahmen für Stuttgart 21 erfolgen sollte. Eigentlich hätte der Umbau bereits ab Februar beginnen sollen: „Denn wenn nicht jetzt, wann dann“, findet Klöber.

Doch offenbar denkt und plant die Deutsche Bahn seit kurzem anders: Die DB Station & Service hat dem Verband Region Stuttgart inzwischen mitgeteilt, dass die Bahnsteigerhöhung an Gleis 1, also am Hausbahnsteig, nicht mehr im Rahmen des zeitlichen Baufensters der S21-Maßnahmen möglich sei. Der Grund: Die mit dem Ausbau beauftragte Baufirma mache deutlich höhere Kosten für das Anheben der Bahnsteige geltend. Also sagte die DB diese Baumaßnahme kurz vor Heiligabend ab, stellte aber in Aussicht, dass sich die Bahnsteigerhöhung möglicherweise nach den S 21-Baumaßnahmen realisieren lasse. Dann aber mit neuer Kostenkalkulation.

„Das ist ein Trauerspiel“, findet der Feuerbacher Stadtseniorenrat Hans-Joachim Kientzle. „Man kann doch nicht einfach Zusagen machen und dann sagt man: April, April.“ Jahrelang hätten sich die Stadtseniorenrätin Ilse Bächtle aber auch die CDU-Bezirksbeirätin Ingrid Dettinger für mehr Barrierefreiheit am Bahnhof stark gemacht: „Nun sollen die seit langem zugesagten Maßnahmen aufgrund gestiegener Kosten verschoben werden. Das ist für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar.“ Ähnlich sieht das auch Ruth Maier: „Das lässt das Vertrauen in die Zusagen der Bahn noch mehr schwinden und ist sehr ärgerlich“, findet die Bürgervereinsvorsitzende.

Bahn soll im Verkehrsausschuss der Region Stellung nehmen

Als die Sache im Verkehrsausschuss der Region Stuttgart Ende Januar publik wurde, herrschte allenthalten Kopfschütteln. Einige Regionalräte taten ihren Unmut unmissverständlich kund: SPD-Regionalrätin Andrea Klöber, die an dieser Sitzung teilgenommen hatte, war jedenfalls nicht bereit, sich mit der Begründung der Bahn abzufinden: „Ich will wissen, was die Verantwortlichen zu dieser inakzeptablen Nicht-Maßnahme zu sagen haben. Deshalb habe ich gefordert, dass die DB Station & Service noch in der Sitzung Ende März im regionalen Verkehrsausschuss Stellung bezieht“, betont sie. Der Wirtschaftsdirektor der Region Stuttgart, Jürgen Wurmthaler, betont, dass beim momentanen Stand der Dinge, lediglich Bahnsteig 2, also der Mittelbahnsteig baulich im Rahmen von Stuttgart 21 angepackt werden könne. Da sehe es positiver aus, freilich müsste auch bei dieser Maßnahme über die finanziellen Rahmenbedingungen noch mit der Bahn verhandelt werden, sagt Wurmthaler. Beim Bahnsteig 1 gehe er allerdings davon aus, dass dieser nach den S21-Baumaßnahmen gemacht werden könne, betont er. So äußerst sich auch Bahn-Sprecher Martin Schmolke: Die Erhöhung werde kommen, wie diese Maßnahme nach S 21 zeitlich eingetaktet werde, könne man aber derzeit noch nicht sagen.

Auch im Bezirksbeirat Feuerbach kam das Thema jüngst zur Sprache. Roland Saur (SÖS/Linke-plus) kritisierte die einseitige Entscheidung der DB, auf die von ihm geforderte gemeinsame Erklärung verzichtete der Bezirksbeirat jedoch. Nun sind erst einmal Vertreter der Bahn am Zug. In die Bezirksbeiratssitzung am 28. März sind die Bahn-Manager Michael Groh, Leiter des Regionalbereichs Südwest, und Projektabschnittsleiter Sebastian Glöckner eingeladen. Sie sei sicher, dass die Bahn bis dahin noch nach Möglichkeiten für eine Lösung sucht, meint Klöber.