Der Sieger der German Masters heißt William Whitaker und kommt aus der berühmtesten Reiterfamilie der Welt. Auch die deutschen Springreiter waren beim Stuttgarter Turnier erfolgreich.

Stuttgart - Die Whitakers aus der englischen Grafschaft Yorkshire sind die berühmteste Reiterfamilie der Welt. Am gestrigen Sonntag hat einer von ihnen, der erst 25 Jahre alte William, in der Stuttgarter Schleyerhalle ein Stück Reitsportgeschichte geschrieben. Vor nahezu ausverkauftem Haus gewann er im Stechen auf seinem elfjährigen Schwedenwallach Fandango den Großen Preis von Stuttgart, das fünfte Weltcupspringen der neuen Saison 2014/2015. „Unglaublich“, stammelte der Brite mit hochrotem Kopf, nachdem er fast 20 Minuten lang hatte zittern müsse, ehe sein bisher größter Erfolg feststand.

 

Die Geschichte der Whitakers und des German Masters von Stuttgart ist eine ganz besondere: Als das Turnier 1985 aus der Taufe gehoben wurde, waren John und Michael Whitaker, die beiden Onkels des Siegers vom Sonntag bereits dabei – William war damals noch gar nicht geboren. John Whitaker siegte zweimal im Großen Preis, Michael Whitaker einmal – am Sonntagnachmittag wurde er auf Viking 18. Zum Triumph seines Neffen William sagte er: „Wir sind stolz auf ihn, er kann die große Tradition unserer Familie fortsetzen.“

Auf den zweiten Platz kam die Amerikanerin Lucy Davis auf Barron, eine Schülerin von Meredith Michaels-Beerbaum, die in Stuttgart nicht im Vorderfeld landete. Der Olympiasieger Steve Guerdat aus der Schweiz wurde auf seinem Toppferd Nino Dritter. Marcus Ehning belegte als bester Deutscher mit dem Schimmelhengst Cornado den vierten Platz. Ludger Beerbaum, der Sieger vom Freitag, verpasste auf Chaman das mögliche Double.

Turbulentes Turnier

Auf dem Dressurviereck verlief das 30. Masterturnier zunächst ganz anders als nach der Papierform erwartet: so spannend, ja, mehr noch: geradezu turbulent wie selten zuvor. Isabell Werth, der alten und neuen Nummer eins im deutschen Erfolgsteam, glückte der angepeilte Coup nicht, nämlich vier goldene Siegschleifen bei vier Starts. Die 45-Jährige ging zwar als Favoritin auf ihren sechsten Stuttgarter Kürerfolg seit 1996 an den Start, aber ihr zwölfjähriger Hannoveraner Don Johnson gebärdete sich geradezu wild, bockte und preschte aus der Trainingshalle, um seiner Reiterin zu signalisieren, dass er nicht gewillt war, sich ihrem Willen zu beugen.

Werths Kommentar: „Das war kein Drama, so ist nun mal unser Sport, und so ist mein Jonny.“ Selbst die Pfiffe des Publikums gegen das seiner Ansicht nach zu hohe Votum für ihre verkorkste Kür ließen Isabell Werth kalt: „Ich kann damit leben. Ich habe schon für schlechtere Ritte noch höhere Noten bekommen.“ Soll heißen: wenn die Zuschauer die Kampfrichter auspfeifen – was geht’s mich an.

Vierfacher deutscher Sieg

Die Chance, Isabell Werth zum ersten Male in einem wichtigen internationalen Wettkampf zu besiegen, nutzte Fabienne Lütkemeier auf ihrem 14-jährigen Hannoveraner d’Agostino – sehr zur Freude des Publikums und der Bundestrainerin Monica Theodorescu: „Diese Kür war eine Werbung für unseren Sport“, sagte Theodorescu.

Die 25-jährige Mannschaftsweltmeisterin Lütkemeier sagte über ihr Stuttgarter Wochenende: „Das Publikum hier ist unglaublich, es besitzt hohe Sachkunde.“ Und während der Turnierchef Gotthilf Riexinger den vierfachen deutschen Sieg hervorhob, äußerte sich die Bundestrainerin eher verhalten: „Schade, dass nicht mehr ausländische Dressurreiter zu diesem tollen Turnier nach Stuttgart kommen. Ich fürchte, im Ausland halten viele das German Masters für eine Art Höhle des Löwen.“

Und wie um den Beweis für diese These zu liefern, zeigte Isabell Werth im Finale um den German Dressage Master auf ihrer Stute Bella Rose einen herausragenden Ritt, den die Jury mit 81,941 Prozentpunkten honorierten. Es war für Werth der elfte Titel seit 1996 mit dem fünften Pferd – ein besonderer Rekord. Der Chefrichter Dietrich Plewa schwärmte, „Isabell Werth kommt der Idealnote von 10,0 in vielen Lektionen immer näher“. Und Gotthilf Riexinger, selbst internationaler Dressurrichter, sagte: „Wenn sich diese beiden so weiterentwickeln, kämpfen sie 2016 in Rio um den Olympiasieg.“ Bei so viel Erfolg und Lob kämpfte die sonst so abgeklärte Dressurkönigin mal wieder mit den Tränen.