Der VfB verlässt die Abstiegszone. Huub Stevens hat es geschafft. Und das auch noch mit einem Sieg in Unterzahl bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Hamburger SV

Hamburg - Ein letztes Mal fliegt der Ball in den Stuttgarter Strafraum. Ein letztes Mal wird die Aktion von der Abwehr des VfB bereinigt. Aber war es Hand von Oriol Romeu? Nein, sagt der Schiedsrichter Felix Brych. Wenige Sekunden noch, dann ist es geschafft. Durch ein 1:0 beim Hamburger SV verlässt die Mannschaft das Tabellenende. Die Spieler liegen sich jubelnd in den Armen. Es ist ein Hoffnungsschimmer nach vielen frustrierenden Wochen.

 

Endlich, hat sich Jochen Schneider gedacht. Gesagt hat der Sportdirektor nach dem Abpfiff das: „Die Erleichterung ist riesig. Es war wichtig, bei einem direkten Konkurrenten im Abstiegskampf zu gewinnen.“ Wenn der VfB am Samstag beim Hinserienfinale gegen Paderborn noch nachlegt, sieht es gar nicht mehr so düster aus.

Dabei war die Anspannung vor der Partie gewaltig. Wenn dem Club da etwas Mut gemacht hat, dann die Auswärtsbilanz. Immerhin neun Punkte sammelte die Mannschaft in dieser Saison zuvor schon in der Fremde, was Rang fünf in dieser Tabelle bedeutete. Jetzt sind es sogar zwölf Punkte. Demgegenüber steht die verheerende Heimstatistik, in der das Team mit gerade mal vier Zählern das Schlusslicht bildet. Diese Diskrepanz zwischen Auswärtsspielen und Heimauftritten zu analysieren, wird in der Winterpause eine Aufgabe von Huub Stevens sein. Denn der Trainer weiß, dass die Heimbilanz kein Zufall ist und dass mit einer solchen Ausbeute der Klassenverbleib nur schwer zu schaffen sein dürfte – dem Erfolg von Hamburg zum Trotz.

VfB nutzt Hamburger Schwächen

Speziell die spielerischen Defizite sind offensichtlich, worauf Stevens in Hamburg wie schon beim 1:1 am Samstag in Mainz mit einer auf Vorsicht bedachten Taktik reagiert hat. So standen erneut acht vorwiegend defensiv ausgerichtete Spieler in der Startformation (in Daniel Schwaab, Gotoku Sakai, Florian Klein und Adam Hlousek sogar gleich vier Außenverteidiger) – und in Alexandru Maxim und Martin Harnik nur zwei Offensivkräfte, die dieses Mal den Vorzug vor Timo Werner und Daniel Ginczek erhielten. Die Null muss stehen, lautet ja die legendäre Vorgabe von Stevens aus alten Schalker Tagen – und die Gefahr, dass die Null nicht mehr steht, war an diesem Dienstag über weite Strecken nicht besonders groß. Die erste Möglichkeit hatte der VfB, als in Klein einer der vier gelernten Außenverteidiger das Gehäuse verfehlte (6.).

Die Stuttgarter konnten im Mittelfeld relativ ungestört kombinieren, weil der HSV trotz zuletzt drei Heimsiegen nacheinander nicht sehr präsent wirkte. Und wenn doch einmal Tempo im Aufbauspiel war, scheiterte Pierre-Michel Lasogga (12.). Allerdings nutzte der VfB die Schwächen des Gegners nicht konsequent aus. Das war so ziemlich der einzige Vorwurf in dieser Phase. Sonst hätten zweimal Harnik (16., 32.) oder Georg Niedermeier für die Führung sorgen müssen, dessen Kopfball von Lewis Holtby noch auf der Torlinie geklärt wurde (36.).

„Unser Plan ist aufgegangen“

Aber der Rest stimmte weitestgehend, und die Rechnung von Stevens ging insoweit auf, dass dem HSV kaum einmal ein zwingender Vorstoß über die Flügel gelang – wo der VfB fast zwangsläufig in Überzahl war. Klar wurde, warum die Gastgeber in dieser Saison erst neun Tore erzielt haben. Der HSV war schwächer als der VfB.

Überfällig war deshalb das 1:0, wobei die Mithilfe der Hamburger nötig war. Valon Behrami schoss Maxim an, der Klein bediente. Der Österreicher behielt die Übersicht (42.). Erstaunlich war, dass der VfB selbstbewusster als die Hanseaten auftrat, obwohl die Elf in den sechs Partien zuvor nur einen Erfolg feiern konnte – ein 4:1 in Freiburg am 28. November zum Einstand von Stevens als Nachfolger von Armin Veh. Der neue Trainer hat zumindest wieder mehr Stabilität ins Team gebracht. So hatte der VfB alles im Griff wie selten in dieser schwierigen Runde – bis zur 53. Minute, als Georg Niedermeier nach einer Notbremse an Artjoms Rudnevs die Rote Karte sah – eine harte Entscheidung des Schiedsrichters Brych. Der anschließende Freistoß von Rafael van der Vaart landete an der Querlatte. Jetzt drängte der HSV auf den Ausgleich. Besser: er versuchte, Druck zu machen. Aber unter dem Strich war es weiter ein ziemliches Armutszeugnis, das die Mannschaft ablieferte. Van der Vaart brachte in aussichtsreicher Position nur ein Schüsschen zustande (69.).

Zwangsläufig zog sich der VfB in der Endphase etwas zurück. Entlastungsangriffe stellten die Ausnahme dar – genauso wie wirklich bedrohliche Situationen für die Stuttgarter. Der Torschütze Klein sagt: „Unser Plan ist aufgegangen.“ Der Plan mit der Null, die bis zum Schluss gestanden ist.