Stuttgart-Giebel hat einen schlechten Ruf: heruntergekommene Wohnriegel, Jugendbanden, Sozialfälle. Doch hier tut sich was, dank öffentlicher Fördermittel. Giebel ist heute hübscher als früher. Aber es hat vielleicht ein neues Problem.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Der Ernst-Reuter-Platz ist ein flacher, leerer, zugiger Ort mit einer Ladenzeile ringsum. Er ist ein Beispiel für die Stadtplanung der 1950er und 1960er Jahre, die praktischen Zielsetzungen folgte. Schönheit war kein Kriterium.

 

Der Stadtteil Giebel entstand vor 60 Jahren quasi aus dem Nichts. Stuttgart musste seinerzeit Tausende Kriegsflüchtlinge unterbringen. Weil in der von Bombenangriffen lädierten Stadt für die Neuankömmlinge nicht genug Wohnraum vorhanden war, baute man einfach neuen: am Stadtrand, auf der grünen Wiese, in diesem Fall an der Grenze zu Gerlingen. Stuttgart-Giebel war die Siedlung der Sudetendeutschen. Bis heute reiht sich Wohnblock an Wohnblock, und der Stadtteil wird noch immer von zwei Kirchtürmen überragt: der eine katholisch, der andere evangelisch, jede Kirche bietet Platz für Hunderte Gläubige. Auf alten Fotos sind die Bänke voll.

Der Stadtteil der Extrem- und Protestwähler

Die Menschen alterten mit ihrem Stadtteil, und die Bodenplatten des Ernst-Reuter-Platzes färbten sich mit den Jahren dunkelgrau. Sie nutzten sich ab wie die Wohnblöcke, die billig gebaut und wenig gepflegt wurden. In den Siebzigern und Achtzigern geriet Giebel wegen Jugendbanden in die Negativschlagzeilen. Dann noch einmal bei der Kommunalwahl 2009, als die Stuttgarter Republikaner hier ihren größten Wahlerfolg feierten: 7,8 Prozent holte die rechtsextreme Partei. Zugleich war der Anteil ungültiger Stimmen doppelt so hoch wie im   Schnitt. Giebel als Problemstadtteil der Extrem- und Protestwähler. Doch die Wahl im Mai dieses Jahres brachte Entwarnung: die Werte für die Republikaner und die ungültigen Stimmen lagen im Stuttgart-Schnitt. Hat sich in Stuttgart-Giebel etwas verändert?

Die Suche nach der Antwort beginnt am Ernst-Reuter-Platz, wo Hans-Martin Goede, 43, wartet. Goede ist Kirchengemeinderat und betreibt weilimdorf.de, ein Onlineportal für Lokalnachrichten. „Als ich 1998 hierherkam, war der Stadtteil so was von kaputt“, sagt er. Wie ist die Lage heute? „Das zeige ich Ihnen. Auf geht’s, wir machen einen Spaziergang!“