Wer nimmt sich fünf Minuten Zeit und schreitet durchs Lavendellabyrinth in Hohenheim? Immer mehr Menschen tun das, sagen Beobachter. Und die Gründe dafür sind unterschiedliche.

Hohenheim - Eine Spaziergängerin steht nachdenklich vor dem Lavendellabyrinth, das sie auf ihrem Weg durch den Hohenheimer Park entdeckt hat. Was hat es mit diesem überdimensionalen Beet auf sich, das aus all dem Grün hervorsticht? Neugierig studiert sie die Erläuterungen auf einer Tafel. Zögernd macht sie sich auf den Weg, setzt behutsam einen Fuß vor den anderen. Nach und nach zeigt sich ein Lächeln: Das Labyrinth entfaltet demjenigen seine Wirkung, der sich fünf Minuten Zeit nimmt – und dabei nicht vom Weg abweicht. Im Hochsommer als ein Meer von Farbe und Duft zu erleben, kann es in trüberen Jahreszeiten für gute Laune sorgen.

 

Es gab Tage, da mussten Maria Steinmaier und Renate Koppen vom Freundeskreis Lavendellabyrinth befürchten, dass die niedrigen Büsche in eine Wiese verwandelt würden. Das Kleinod im Hohenheimer Landschaftsgarten braucht nämlich viel Pflege, und nicht alle zwölf Mitglieder des Freundeskreises haben die Zeit oder die Kraft, sich dieser Aufgabe zu widmen. Sie haben die Hoffnung, dass auch Jüngere das Labyrinth so ins Herz schließen wie sie und künftig tatkräftig mithelfen.

Auszubildende legten das Labyrinth an

Den Anfang machten die Schüler der Landwirtschaftlichen Schule Hohenheim, an der Renate Koppen damals noch Fachlehrerin im Garten- und Landschaftsbau war. Die Initiatorin des Lavendellabyrinthes legte gemeinsam mit zwei Kollegen und etwa 100 Auszubildenden im Alter von 17 bis 20 Jahre die Wege an und ließ die verschiedenfarbigen Lavendelbüsche per Hand anpflanzen. Sieben Monate lang arbeiteten sie an dem Labyrinth mit seinem gewundenen Weg.

Wer diesem Pfad folgt, kommt immer zum Mittelpunkt, von dem ein anderer, kürzerer Weg wieder zurückführt. „Das ist das sogenannte Baltische Rad“, erläutert Adolf Martin Steiner. Der pensionierte Uni-Professor ist passionierter Heimatforscher und liefert dem Freundeskreis als Mentor den historischen Hintergrund. Labyrinthe, Kultstätten im Freien, die zu Ritualen genutzt wurden, gab es schon vor 4000 Jahren. Später nutzten die Erbauer großer Kathedralen das Vorbild, eines der schönsten Beispiele ist das französische Chartre. Beim Baltischen Rad im Hohenheimer Landschaftsgarten besteht die Besonderheit in der Y-Form der Mitte: Man geht nicht den gesamten Weg, sondern nur 15 Meter zum Ausgang zurück.

Ein Brautpaar weihte das Labyrinth 2004 ein

Zur Einweihung im Sommer 2004 schritt ein Brautpaar den Parcours gemeinsam ab. Geht nämlich einer den Weg vom Eingang zur Mitte, der andere in umgekehrter Richtung, dann gehen sie getrennte Wege, aber doch gemeinsam. Es gibt eine Stelle, an der die beiden plötzlich nebeneinanderstehen. Zeit für einen Kuss, wenn es sich um ein Liebespaar handelt.

Doch eigentlich gibt es nur einen Weg, der den Freunden des Labyrinths richtig erscheint: der lange Weg, der vom Eingang links an der Tafel mit Erläuterungen vorbeiführt. Adolf Martin Steiner hat schon etliche Meditationsgruppen, gelegentlich sogar Esoteriker beobachtet, die den Weg in den Abendstunden mit Kerzen abschreiten. „Einmal hat ein älteres Paar einige Haare abgeschnitten und in der Mitte vergraben“, erinnert sich Steiner, der das Labyrinth gerne vom benachbarten Monopterus-Hügel aus ansieht. Er selbst bezeichnet sich als Skeptiker, der mit Esoterik nicht viel am Hut hat und das Labyrinth eher als eine interaktive Kunstinstallation ansieht. „In der Mitte angekommen, kann ich einen Schnaps trinken oder ein Gebet sprechen“, sagt er schmunzelnd.

Die Dinge an schlechten Tagen sortieren

Und doch: Auch der Skeptiker Steiner empfindet das Labyrinth als einen spirituellen Ort. „Wenn ich einen schlechten Tag habe und den Weg ablaufe, dann ist alles wieder sortiert“, ist seine Erfahrung, „es ist diese unausweichliche Ordnung, die gut tut“. Ruhe oder die eigene Mitte finden, nennen andere dieses Gefühl.

Maria Steinmaier vom Freundeskreis erlebt dabei oft Ratlosigkeit. „Die Leute nehmen sich eben nicht mehr die Zeit, den Text zu lesen oder laufen sogar quer durch die Büsche“, bedauert sie. In diesem Frühjahr haben die kalten und nassen Tage im April noch zusätzlich Probleme ausgelöst. Auch den Buchsbäumen am Eingang geht es nicht besonders gut, etliche Kindergeburtstage und die kalte Witterung haben ihnen zugesetzt. „Wenn sich ein Sponsor finden würde, könnten wir dort Steine aufstellen“, meint Maria Steinmaier, „die würden auch viel besser passen“.