Beim Bau der neuen Stadtbibliothek ist einer von drei Aufzügen aus Kostengründen gestrichen worden. Jetzt stehen die Besucher Schlange.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Stuttgart - Im Ärger ums Wasser gingen 1,47 Quadratmeter beweglicher Boden wohl schlicht unter. Und das war ein Fehler, der korrigiert gehört. Davon ist jedenfalls der CDU-Stadtrat Dieter Wahl inzwischen überzeugt, obwohl er seinerzeit selbst die Hand dafür gehoben hat, dass an dem Prestigebau für die neue Stadtbibliothek gespart werden sollte. Das war im April des vorvergangenen Jahres.

 

Weil die Baukosten gestiegen waren, hatte ein Zirkel von Amtsleuten entschieden, am Entwurf des Architekten Eun Young Yi ein paar Posten zu streichen. Der größte davon war ein künstlicher See vor der Bücherei samt dazugehörender Technik. Und im Inneren sollte statt Naturstein billigeres Material verwendet werden. Weil der Gemeinderat nicht gefragt wurde, sondern von der Entscheidung aus der Zeitung erfuhr, schimpften die Grünen und die Liberalen einmütig über mangelndes Demokratieverständnis und schlechte Informationspolitik des Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster. Der leitete jenen Zirkel.

Fahrt mit Aufzug dauert bis zu einer Viertelstunde

Eine Kleinigkeit wie ein Aufzug spielte in dem Streit ums Grundsätzliche und die Qualität der Architektur allenfalls eine Nebenrolle. Deshalb müssen heute „die Mitarbeiter schon einiges aushalten“, sagt die Bibliotheksleiterin Ingrid Bussmann – an Beschwerden. Eben hat ein Besucher sie verlassen, dessen Fahrt bis zu ihrem Büro im siebten Stock mehr als fünf Minuten dauerte. Das war noch wenig. Bis zu einer Viertelstunde, sagt Bussmann, stehen Wartende, bis sich ihnen die Tür eines der beiden Aufzüge auftut, der noch nicht voll besetzt ist. Das sind sie schnell, denn ihr Boden misst nur jene 1,47 Quadratmeter. Wenn eine Mutter mit Kinderwagen im Lift steht, haben neben ihr nur noch zwei Personen Platz. Und „gerade Mütter sind im kinderfreundlichen Stuttgart natürlich erwünscht“, sagt die Bibliotheksleiterin.

Ursprünglich sollten drei Aufzüge die Besucher der neuen Bücherei in dasjenige der neun Stockwerke transportieren, in das sie möchten. Geworden sind es zwei. Die Streichung des dritten „hat um die 200.000 Euro gespart“, sagt Wahl. Bei Baukosten von 79 Millionen entspricht das einem Minus von 2,5 Promille. Gefühlt steht unter dem Strich der Rechnung: „Sie warten und werden einfach nicht mitgenommen“, sagt Wahl, „und nicht jeder ist so sportlich wie unser Oberbürgermeister.“

Nachträglicher Einbau ist teuer

Eine Rückkehr zum ursprünglichen Plan wäre technisch kein Problem. Weil zur Zeit des Sparbeschlusses die Bibliothek längst am Wachsen war, fehlt lediglich das Innenleben des Aufzugs. Der Schacht wurde plangemäß gebaut. Allerdings „wäre der nachträgliche Einbau teurer“, bekennt Wahl. Allein schon, weil die Türöffnungen in jedem Stockwerk zugemauert wurden und aufgerissen werden müssten.

Ungeachtet dessen hat der Christdemokrat Abhilfe beantragt – sei es, indem die beiden Aufzüge schneller fahren oder eben, indem der dritte nachgerüstet wird. Das Thema scheint nicht nur ihm dringlich. Sein Antrag ist nachträglich auf die Tagesordnung der Dienstagsitzung des Technischen Ausschusses im Gemeinderat gehievt worden.

Bei starkem Besucherandrang wird Lastenaufzug freigegeben

Eine andere Möglichkeit als die Korrektur des Sparbeschlusses scheint nicht zu bleiben. „Die Aufzüge sind intensivst belastet“, sagt Bussmann. Bei starkem Besucherandrang, insbesondere an Samstagen, wird deshalb regelmäßig der Lastenaufzug fürs Publikum frei gegeben. Das war aus Sicherheitsgründen anfangs nur erlaubt, wenn ein Angestellter der Bibliothek mitfährt. Inzwischen ist eine Sondergenehmigung erteilt. „Die Mitarbeiter der Aufzugsfirma sind ständig im Haus und versuchen, durch Einstellungen etwas zu machen“, sagt Bussmann. Aber mehr geht offenbar nicht, das belegt die Mathematik. Eben bekommt sie die neusten Zahlen.

Mit 180 Aufzugfahrten pro Stunde ist vor der Eröffnung gerechnet worden. 200 sind es. Eine andere Zahl belegt zwar die gleiche Unerfreulichkeit, „aber die ist dabei erfreulich“, meint die Bibliotheksleiterin: In der Theorie waren 400 Besucher pro Stunde errechnet worden. Bis zu 600 sind es – ein Drittel mehr.