Der Generalübernehmer hat nach Zwischenfällen in der Stuttgarter Psychiatrie Unterlagen nachgereicht. Demnach war auf der Akut-Station kein Sicherheitsglas verwendet worden.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Welcher Glastyp ist in den Akutstationen des Zentrums für seelische Gesundheit genau verbaut worden? Der beauftragte Generalunternehmer, die Gustav-Epple-Bauunternehmung, behauptet, er habe dem Auftrag entsprochen und Verbundsicherheitsglas eingebaut. „Die Feststellung, dass es sich nicht um Sicherheitsglas handelt, ist nicht korrekt“, sagt Heiko Zirkel, der Technische Leiter bei der Firma. Man habe entsprechende Unterlagen nachgereicht. Davon abgesehen sei das Gebäude von den Behörden baurechtlich und brandschutztechnisch abgenommen worden.

 

Der Hintergrund ist ein Vorfall im Dezember, als ein Patient auf der Akutstation P 1a eine Tür eingetreten und Mitarbeiter mit einer etwa 50 Zentimeter langen Glasscherbe attackiert hatte. Erst als ein Polizeibeamter dem Mann in den Ellenbogen schoss, konnte der Patient außer Gefecht gesetzt werden. Anschließend hieß es, auf den Akutstationen sei kein Verbundsicherheitsglas, sondern normales Glas eingebaut worden (die StZ berichtete).

Experte meldet Zweifel an

Verbundsicherheitsglas ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Mitte eine Spezialfolie eingebaut ist, die garantieren soll, dass auch nach Gewalteinwirkung mögliche Splitter auf der Folie haften bleiben. Laut dem Bundesverband für Flachglas gibt es verschiedene Sicherheitsstufen: die niedrigste lautet P 1A, die höchste P 8B. Letztere hält nicht nur Schlägen stand, sondern auch Schüssen, so dass auch von Panzerglas gesprochen wird. Ein Ingenieur, der bei einem der Marktführer für Sicherheitsglas arbeitet, sieht es als „unwahrscheinlich“ an, dass in der Tür Sicherheitsverbundglas war. Er könne den Fall aus der Ferne zwar schwer beurteilen, aber die Größe der Scherbe mache ihn stutzig. „Eine 50-Zentimeter-Scherbe ist eigentlich nicht möglich“, meint der Experte, der namentlich nicht zitiert werden will. Dies sei ein Zeichen dafür, dass es sich um normales Flachglas gehandelt haben müsse. Die Klärung sei aber einfach: Entweder weise das Glas die Spezialfolie auf oder nicht.

Beim Klinikum sind die Untersuchungen zu den Sicherheitsmängeln – neben den Glasscheiben sind auch Fenster und Türen betroffen – noch nicht abgeschlossen. In der nächsten Sitzung des Krankenhausausschusses im Februar will das Klinikum ausführlich Bericht erstatten. Ob dann auch die Kosten für noch anstehende und bereits erfolgte Nachbesserungen bekannt gegeben werden, ist unklar.

Auch an Türen muss nachgebessert werden

Wie berichtet, sollen die Stationsstützpunkte und die Türen auf den Akutstationen nun mit besonders bruchsicherem Verbundsicherheitsglas ausgerüstet werden – der Zentrumsleiter Martin Bürgy spricht von einem Sicherheitsstandard wie bei einer Sparkasse. Nach der Attacke waren die noch auszutauschenden Scheiben vorsorglich mit einer Folie überzogen worden. Die Fenster wurden, wie gemeldet, zudem mit Vorrichtungen ausgestattet, damit sie nicht mehr von den Patienten aufgehebelt werden können. Hintergrund waren mehrere öffentlich gewordene Fluchtversuche. Die Vorrichtungen sind aber nur ein Provisorium. Außerdem wurde der Zentrumsleitung zufolge die Tür auf einer Akutabteilung mit einem Magneten nachgerüstet, damit sie sicher schließt. Die Tür war zuvor leicht aufzudrücken. Weitere Türen sollen noch nachgerüstet werden.

Auch wenn sich bei der Prüfung herausstellen sollte, dass das Glas in der eingetretenen Tür auf der Akutstation Flachglas gewesen ist, bedeutet das nicht, dass gegen bundesweit gültige Normen verstoßen wurde. „Es gibt keine baulichen Vorgaben für Psychiatrien“, erklärt dazu ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit und bestätigt eine Auskunft des Sozialministeriums. Das Gefahrenpotenzial einzuschätzen obliegt folglich dem Planer.