Das Stuttgarter Klinikum kommt nicht zur Ruhe: Nach dem Abgang des Ärztlichen Direktors, der nach Frankfurt wechselt, wird hinter den Kulissen offenbar über den Abschied des Geschäftsführers verhandelt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Im städtischen Klinikum rumort es. Seit bekannt geworden ist, dass die Verwaltungsspitze in der Folge des angekündigten Weggangs ihres Ärztlichen Direktors Jürgen Graf die Ablösung von Klinikgeschäftsführer Ralf-Michael Schmitz erwägt (die StZ berichtete), nimmt die Unruhe zu. „Die Menschen sind maximal verunsichert“, sagt ein Vertreter der Ärzteschaft. In dieser Lage wird auch Kritik am Umgang der Politik mit dem Klinikum laut.

 

Die Verdoppelung des Defizits auf 24 Millionen Euro im Jahr 2014, Neubauprojekte, deren Kosten aus dem Ruder gelaufen sind oder dies zu tun drohten, ein missglücktes Geschäft mit Patienten aus Libyen und ausgebliebenen Forderungen von neun Millionen Euro: die Liste der Problemfelder, mit denen sich die Verantwortlichen des Klinikums zu befassen haben, ist lang. Sichtbar wurde der ganze Umfang der Misere, als bekannt wurde, dass Jürgen Graf nach nur zwei Jahren im Amt des Ärztlichen Direktors als Chef an die Uniklinik Frankfurt am Main wechselt.

Die gesamte Führung des Klinikums soll verändert werden

Die Stadtverwaltung will diese Situation für einen umfassenden Umbau der Führung des Klinikums nutzen. In der Sitzung des Krankenhausausschusses am Freitag wird Bürgermeister Werner Wölfle die Pläne in nichtöffentlicher Sitzung vorstellen.

Eines ist inzwischen offenbar entschieden: Die Stadt wird sich schon kurzfristig von Schmitz trennen. Ihm wirft man vor, zu spät auf die wirtschaftlichen Probleme des Klinikums reagiert zu haben. Beim Geschäft mit der Behandlung von insgesamt rund 300 kriegsversehrten Patienten aus Libyen hält man dem alleinverantwortlichen Geschäftsführer mangelnde Sorgfaltspflicht vor. Zwar wurde das Geschäft, bei dem man mit einer libyschen Subregierungsorganisation zusammengearbeitet hat, von der dafür zuständigen International Unit am Katharinenhospital abgewickelt und gehörte zum Aufgabengebiet des Ärztlichen Direktors, doch liege bei Ralf-Michael Schmitz ein „Organisationsverschulden“ vor, heißt es im Rathaus.

Schmitz wird Arroganz vorgeworfen

Schon länger wird dem Geschäftsführer aus Kreisen des Gemeinderats arrogantes Auftreten gegenüber dem zuständigen Ausschuss vorgeworfen. Wenn es darum ging, den Rat für notwendige Veränderungen im Klinikum zu gewinnen, sei sein Vorgehen nicht immer glücklich gewesen. Und so manchem in dem Gremium ist ein Dorn im Auge, dass Schmitz, der mit einem Jahresgehalt von rund 400 000 Euro zu den Spitzenverdienern im Dienste der Stadt gehört, auch dann noch seinen vereinbarten Jahresbonus erhielt, als das Defizit des Klinikums wieder am Steigen war.

Nicht so recht ins Bild will da passen, dass die Stadt den Vertrag von Schmitz, der seit 2005 an der Spitze des Klinikums steht, erst 2014 verlängert hat. Dies nicht nur um fünf Jahre, wie üblich, sondern um sieben. Diese vom Krankenhausbürgermeister Wölfle betriebene Verlängerung widerspreche den sogenannten Corporate-Governance-Regeln der Stadt, sagen Kritiker.

Ärzte konstatieren erhebliche Unruhe im Klinikum

Im Klinikum selbst verweist man darauf, dass die International Unit trotz der ausstehenden Forderungen von neun Millionen Euro im betreffenden Jahr immer noch einen Deckungsbeitrag von einer Million zum Ergebnis des Klinikums geleistet habe. Bei Anwendung der sogenannten Gemeinkostenrechnung liege dieser sogar bei beträchtlichen fünf Millionen Euro.

„Es ist unfair, wie jetzt mit der Führung umgegangen wird“, sagt ein erfahrener Chefarzt des Klinikums. Schmitz habe in den vergangenen zehn Jahren „viel bewegt“. Die Art und Weise des Umgangs beschädige auch den guten Ruf des Klinikums, des mit 2200 Betten und einem Jahresumsatz von etwa 600 Millionen Euro größten Krankenhauskomplexes in der Landeshauptstadt. „Diese Politik tut uns nicht gut“, sagt der Chefarzt. „Da werden Spannungen in der Politik auf das Klinikum übertragen.“

Vermutlich wird es zunächst eine Interimslösung geben

Ein anderer Mediziner ist überzeugt: „Hier wird mal wieder ein Schuldiger gesucht.“ Immer wieder haben die Verantwortlichen im Klinikum erklärt, dass es vor allem die unzureichende Vergütung von ambulanten Leistungen durch die Kassen sei, durch die alleine im Jahr 2014 ein Defizit von 14 Millionen Euro entstanden sei. Dazu kämen acht Millionen Euro für sehr schwierige Extremkostenfälle, die zu einem Drittel von anderen Krankenhäusern in die teils hochspezialisierten, auf Uniniveau arbeitenden Abteilungen des Maximalversorgers überwiesen würden.

Die Führungskrise müsse jedenfalls schnell beendet werden, fordert die Ärzteschaft. Mehr als eine Interimslösung wird Krankenhausbürgermeister Wölfle aber kurzfristig vermutlich nicht präsentieren können. Der Posten des Ärztlichen Direktors soll vorübergehend mit einem Mediziner von außerhalb besetzt werden. Den kaufmännischen Bereich will man interimsweise mit Managementkräften aus dem Haus abdecken.

Möglich wäre eine Doppelspitze

Für das weitere Vorgehen setzt man auf das laufende Gutachten der Unternehmensberatung Ernst und Young. Dieses sei, wie ein Kenner der Verhältnisse sagt, dem Krankenhausbürgermeister vom Kämmerer Michael Föll „diktiert“ worden. Darin soll auch geklärt werden, ob man künftig mit einer „Doppelspitze“ weitermachen soll im städtischen Klinikum, also mit zwei gleichberechtigten Geschäftsführern statt nur einem – einem Kaufmann und einem Arzt –, und damit die Medizin aufwerten würde.

Geprüft werden soll offenbar auch, ob es von Vorteil wäre, das Klinikum in eine Kommunalanstalt öffentlichen Rechts umzuwandeln. Dadurch könnte sich auch die Rolle des Gemeinderates etwas ändern, dessen Fachausschuss heute als Kontrollorgan des Klinikums fungiert, der dieser Rolle aber nur unzureichend gerecht wird. In einem zu bildenden Verwaltungsrat würden die Ratsmitglieder durch externen Sachverstand verstärkt.