Der Stuttgart-Lauf hat am Sonntag 18.735 Teilnehmer verzeichnet, 16.060 von ihnen kamen ins Ziel – als Schnellster Sebastian Reinwand. Der hatte doppelten Grund zur Freude: im Dezember bekommt die Familie Nachwuchs.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Er war erst zwei Minuten im Ziel, aber so richtig schnaufen musste Sebastian Reinwand da nicht mehr. Sein rotes Leibchen war zwar noch klatschnass, doch wirklich alles abverlangt hatte ihm der Stuttgart-Lauf nicht. Es war kein Joggen, das er zeigte, aber es glich einem Trainingslauf mit etwas Zug dahinter. So spielerisch gewinnt man einen Halbmarathon über 21 Kilometer. Irgendwie war Sebastian Reinwand deshalb an diesem sonnigen Sonntagmorgen in der Mercedes-Benz-Arena auch ein Held.

 

In einer Stunde, acht Minuten und 45 Sekunden lief der drahtige Mann von der TSG 08 Roth als Erster über den Zielstrich. Er riss die Arme hoch, jubelte kurz und freute sich über den Erfolg, den er im Rahmen eines familiären Zusammenkommens einfach mal so mitgenommen hatte. „Wir haben aus der Sache einen Familienausflug gemacht“, sprach Reinwand. Er besuchte mit seiner Freundin deren Schwester, eine Lehrerin aus Stuttgart. „Die Schwägerin in spe“, sagt er und lacht.

Sebastian Reinwand ist als Projektmanager bei einer Firma tätig, die Kühlsysteme herstellt. Doch in der Leichtathletikszene ist er deshalb nicht unbekannt. Sein souveräner Stuttgart-Sieg rührt daher, dass er einer der besten 5000-Meter-Läufer der Republik ist. Die nächsten Ziele sind der Frankfurt-Marathon und die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Nürnberg Ende Juli. Dort will Reinwand über die 5000 Meter unter die besten acht kommen – das ist sein Anspruch.

Veranstalter freut sich über großen Zuspruch

Hätte der Bayer in Stuttgart richtig Tempo gemacht, wäre er dreieinhalb Minuten eher im Ziel gewesen, aber darum ging es ihm nicht. Er hatte in Markus Weiß-Latzko den idealen Trainingspartner gefunden, der ihn forderte, mitzog und so das Niveau einigermaßen hochhielt. Doch ab dem elften Kilometer forcierte Reinwand das Tempo und machte Druck. „Alles war gut, doch als er davongezogen ist, konnte ich nicht mehr mithalten“, sagte Weiß-Latzko, der mit 41 Sekunden Rückstand im Stadion einlief. Dritter wurde Jan Müller aus Stuttgart, der für die Laufgruppe Heart and Sole startet.

Gerhard Müller, der Geschäftsführer des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes, der den Stuttgart-Lauf veranstaltet, war derweil froh darüber, dass sich die drei Podestbesucher überhaupt angemeldet hatten. „Dass Athleten von diesem Kaliber bei uns mitlaufen, obwohl es keine Preisgelder gibt, das spricht schon für den Stuttgart-Lauf“, stellte der Projektleiter des Events zufrieden fest und freute sich ganz generell über den großen Zuspruch. Für alle Kategorien, vom Kinderlauf über die 7-Kilometer-Distanz bis hin zum Halbmarathon, hatten sich 18 735 Teilnehmer angemeldet. 16 060 von ihnen kamen ins Ziel. Und von den 8096 gemeldeten Halbmarathon-Läufern beendeten 6823 den Breitensportwettkampf mit einer Zeit.

Darunter befand sich auch Christine Schleifer vom Tri-Team Heuchelberg/Mühlacker. Die zierliche Blonde war mit der Zeit 1:16,27 Stunden die schnellste Frau im Feld und damit nur etwa acht Minuten langsamer als der Sieger. Schleifers Erfolg war ähnlich erwartbar wie der von Reinwand. Viermal startete sie in Stuttgart – und viermal gewann sie. „Es gibt nicht allzu viele Frauen hier, die schneller sind“, sagte die 31-Jährige und gab zu, mit dem ersten Platz auch gerechnet zu haben. Arrogant sollte es nicht klingen, es ist einfach so. Weil auf ihrem Niveau die Konkurrenz eher bescheiden ist, heftet sie sich oft an die Fersen der Herren. „Ich habe zügig geschaut, dass ich eine schnelle Männergruppe finde, damit ich nicht so allein laufen muss“, sagte Christine Schleifer – und so habe das auch diesmal gut funktioniert.

Einige Läufer landen wegen der Hitze im Krankenhaus

Sehr zufrieden waren auch die Organisatoren des größten Breitensport-Events der Stadt Stuttgart. „Ich habe nichts Negatives gehört, und ich denke, wir haben hier eine runde Veranstaltung gehabt“, zog der WLV-Präsident Jürgen Scholz Bilanz. Er lief nicht mit, suchte sich aber ein schattiges Plätzchen auf der Tribüne. Die Teilnehmerzahlen befanden sich auf Vorjahresniveau, und alles habe reibungslos geklappt. Einige wenige Läufer haben sich angesichts der höheren Temperaturen zwar zu viel zugemutet, und es gab auch Fahrten ins Krankenhaus, aber von schlimmeren Vorfällen wurde nichts bekannt. Trotz Sonne schaffte ein leichter Wind einigermaßen erträgliche Bedingungen. „Ich könnte mir zwar auch einen Termin Ende April vorstellen“, sagte Gerhard Müller im Hinblick auf die Wetterdebatte, doch sei das schwierig. Während in der Fußball-Bundesliga gekickt wird, ist das Stadion nicht frei, außerdem muss auf zahlreiche andere Veranstaltungen in der Schleyerhalle oder der Porsche-Arena Rücksicht genommen werden.

Der Hitze zu entfliehen – das ist also nicht so einfach. Und so findet der nächste Stuttgart-Lauf am 18. und 19. Juni 2016 statt. Sebastian Reinwand, der zum ersten Mal hier dabei war, wird sich diesen Termin notieren. Er kennt jetzt die Strecke – das macht ihn beim nächsten Mal noch stärker. Außerdem muss man sich bei der künftigen Schwägerin ohnehin mal wieder blicken lassen, dann aber mit Naschwuchs. Anfang Dezember wird Reinwand Vater.