Der Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat in einer ungewöhnlichen Form die Stuttgarter Rathauspolitik angegriffen.

Stuttgart - Stefan Mappus, Ministerpräsident und Vorsitzender der CDU in Baden-Württemberg, will sich nach der Landtagswahl am 27. März stärker in die Stuttgarter Lokalpolitik einmischen. In Stuttgart seien in den vergangenen Jahren Fehler gemacht worden, die ihn als CDU-Landesvorsitzenden letztlich auch berührten, sagte er am Dienstagabend vor Journalisten in der Villa Reitzenstein. Kritikwürdig findet Mappus etwa den baulichen Zustand Stuttgarter Schulen, der einer baden-württembergischen Landeshauptstadt nicht würdig sei. Auch sei es ein Fehler gewesen, die 67.000 Stimmen, die Stuttgart-21-Gegner im November 2007 im Rathaus aus Protest gegen das umstrittene Bahnprojekt abgegeben haben, nicht persönlich anzunehmen. Die Unterschriften hatte damals nicht Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) entgegengenommen, sondern Ordnungsbürgermeister Martin Schairer.

 

Damit kritisiert Mappus mehr offen als verdeckt seinen Parteifreund Schuster. Mit Blick auf das Landesbeamtengesetz, das bei Bürgermeistern eine Pensionierung mit 68 Jahren vorschreibt, geht Mappus davon aus, dass Schuster bei den nächsten OB-Wahlen im Jahr 2012 nicht mehr antritt, da der heute 61-Jährige keine komplette Wahlperiode von acht Jahren mehr absolvieren könne. Als CDU-Landesvorsitzender wolle er sich an der Kandidatenauswahl für die Nachfolge Schusters beteiligen, kündigte er an.

OB: Ich kommentiere keine Spekulationen

Im Auftrag des Oberbürgermeisters verbreitete Pressesprecher Markus Vogt am frühen Abend nur eine kurze Erklärung: „Ich kommentiere keine Spekulationen. Es bleibt dabei: Ich werde mich, wie angekündigt, ein Jahr vor Ablauf meiner Amtszeit – also im Januar 2012 – dazu äußern, ob ich zu einer dritten Kandidatur um das Amt des Oberbürgermeisters antrete.“ Zu den weiteren Kritikpunkten des Ministerpräsidenten an der Stuttgarter Kommunalpolitik äußerte sich der Oberbürgermeister dagegen nicht.

Für Michael Föll, den CDU-Kreisvorsitzenden und Stadtkämmerer, sind die Äußerungen des Ministerpräsidenten „Themen zur Unzeit“. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung sagte Föll: „Die Entscheidung unseres Oberbürgermeisters, ob er noch einmal kandidiert oder nicht, ist mir noch nicht bekannt.“ Zu gegebener Zeit, wenn sich OB Schuster entsprechend äußern sollte, werde „die Stuttgarter CDU über einen möglichen Kandidaten oder Kandidatin entscheiden“. Wie dies geschehen werde, sei noch völlig offen; selbstverständlich werde die Kreis-CDU in dieses Verfahren auch den Ministerpräsidenten einbeziehen.

Die Kritik des Ministerpräsidenten an der Rathauspolitik wies Föll mit den Worten zurück: „Die Stuttgarter Kommunalpolitik wird seit jeher in Stuttgart gemacht!“ Was beispielsweise die Sanierung der veralteten Schulgebäude betreffe, so hätten auch viele andere Städte im Land entsprechende Probleme. „In Mannheim beispielsweise sind 200 Millionen Euro notwendig, um den Sanierungsstau abzuarbeiten“, sagte Föll. Dann konterte er die Kritik des Ministerpräsidenten: „Wenn die Finanzausstattung der Kommunen durch das Land Baden-Württemberg besser wäre, könnten auch wir auf diesem Sektor mehr tun.“

Wölfle: Napoleon hat gesprochen

Zum Verhältnis zwischen Land und Stadt sagte der Kämmerer: „Natürlich gibt es immer wieder unterschiedliche Auffassungen, bisher jedoch sind diese Dinge stets intern diskutiert worden.“ Weshalb der Ministerpräsident sie jetzt öffentlich mache, könne er sich „nicht erklären, und ich möchte das auch nicht weiter kommentieren“, so der CDU-Kreisvorsitzende.

„Napoleon hat gesprochen“, sagte Werner Wölfle, der Fraktionssprecher der Grünen im Gemeinderat, zu den Äußerungen von Mappus. Der Ministerpräsident, der sich während der CDU-Veranstaltung am Dienstagabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Liederhalle offensichtlich über die Unmutsäußerungen von Stuttgart-21-Gegnern geärgert habe, entziehe nun dem Oberbürgermeister vor einer bedeutenden Landtagswahl öffentlich das Vertrauen. „Das ist die unverhohlene Aufforderung, umgehend den Platz für vorgezogene OB-Wahlen frei zu machen“, so Wölfle. Die Art und Weise, wie diese Erklärung von Mappus lanciert worden sei, spreche Bände über den Umgangsstil innerhalb der CDU. Es sei, so Wölfle weiter, „kein Geheimnis, wie nachtragend der Ministerpräsident sein kann und wie jemand in die ,Strafklasse‘ kommen kann“. Dies könnte sich „für Stuttgart verheerend auswirken, denn die Stadt steht vor riesigen Herausforderungen und in vielfältigsten Zusammenhängen mit dem Land“. Dies gelte vor allem für den Fall, dass die Landtagswahl am 27. März einen Ministerpräsidenten Mappus hervorbringe.

„Es schadet der Landeshauptstadt, wenn der Oberbürgermeister auf eine solch intrigante Weise von der eigenen Partei demontiert wird“, erklärte die SPD-Fraktionschefin im Gemeinderat, Roswitha Blind. Der Schritt von Mappus zeige aber auch auf, „wie nervös die CDU und ihr Ministerpräsident wegen der Landtagswahl jetzt schon sind“.