Eine Zwölfjährige hat einen unschuldigen Mann (50) hinter Gitter gebracht. Der Klägerin konnte Unglaubwürdigkeit nachgewiesen werden.

Stuttgart - Der 50-jährige Carsten S. (alle Namen geändert) fiel aus allen Wolken, als am 6. August des vergangenen Jahres auf einmal die Polizei vor seiner Tür stand. Er solle ein damals zehnjähriges Mädchen in seinem Bekleidungsgeschäft in einem Ladenzentrum im Norden Stuttgarts sexuell missbraucht haben. Die heute zwölfjährige Tania habe sich erst Freundinnen anvertraut, dann, als eine Mutter zur Polizei ging, einer Kriminalbeamtin alles erzählt. Da die Vorwürfe schwer wogen - er soll extra seine Ladentür von innen verriegelt haben - kommt Carsten S. einige Tage später in Untersuchungshaft.

Das Opfer ist eine heute Zwölfjährige, die als geistig behindert gilt. Das Missbrauchserlebnis schilderte sie der Polizistin flüssig und detailreich. Sie sei Mitte Februar 2008 nach der Gymnastik in den Jeansladen gegangen und habe sich umgeschaut, erzählte sie. Der Ladenbesitzer habe dann die Tür verriegelt und die Vorhänge geschlossen. Dann habe er sie an der Brust und im Schritt angefasst. Sie schilderte ihre Bekleidung, sie erzählte, dass der Mann ihr eine CD mitgegeben habe. Sie habe einer Freundin alles anvertraut.

Alles sprach gegen den Ladenbesitzer


Das führte dazu, dass der Mann in Untersuchungshaft kam. Zwar fanden die Polizisten an der Ladentür keinen Riegel, aber ein paar Bohrlöcher. Carsten S. verdankt es seinem Verteidiger, der nicht locker ließ - und immer mehr Widersprüche zutage förderte. So soll die Tat im Februar 2008 gewesen sein - die Werbe-CD mit Sommermode hatte der Angeklagte aber nachweislich erst im Juli 2008 gebrannt. Dann kam heraus, dass die Bohrlöcher von einer Umhängung der Tür stammten. Und schließlich schrieb Tania im Oktober 2009 der Polizei einen Brief, in dem sie einräumte, fälschlich zwei Jungen wegen einer Sachbeschädigung beschuldigt zu haben. Carsten S. wurde wieder auf freien Fuß gesetzt, das Gericht beauftragte eine Sachverständige, die Tanias Glaubwürdigkeit prüfen sollte.

Zeugin ist nicht glaubwürdig


In der Verhandlung am Donnerstag vor dem Landgericht stellte die Kinder- und Jugendpsychiaterin ihre Ergebnisse vor. Zunächst sei sie angetan gewesen von der konstanten Aussage der Zwölfjährigen, erklärte die 57-Jährige. Dann habe sie aber weitere Details erzählt, zum Beispiel, dass der Mann ihre Jacke zerrissen habe. Dann erklärte sie, dass sie nie in dem Jeansladen gewesen sei. Früher aber sei oft dort gewesen, als ein türkischer Schuhladen und vorher ein russisches Geschäft dort gewesen seien. "Sie erzählte viele Details", so die Gutachterin - doch der Angeklagte betreibt dort seit mehr als 20 Jahren sein Geschäft.

Die Psychiaterin kam zu dem Schluss, dass sich die Zwölfjährige in eine Scheinwelt geflüchtet habe. Sprachlich sei sie absolut nicht minderbegabt - und da sie mit sechs Jahren schon vorzeitig in die Pubertät gekommen sei, habe sie auch über Sexualität Bescheid gewusst. Als herauskam, dass sie gerne Gerichtsshows sieht und häufiger bereits Lügengeschichten erzählt hatte, stand für die Gutachterin fest: Auf dieser Grundlage sollte niemand verurteilt werden. Carsten S. wurde frei gesprochen.