Eine Gruppe aus dem CVJM Stuttgart-Möhringen hat sich in der Michael-Bauer-Schule in Stuttgart-Vaihingen im Buchbinden versucht. Was wenig bekannt ist: Dort gibt es eine vollständige Werkstatt.

Möhringen/Vaihingen - No net hudla. Der Schwabe, der den berühmten Satz geprägt hat, war wohl Buchbinder. Wer hier husch-husch macht oder schlampig schafft, der hat später keine Freude am Ergebnis. „Man muss ordentlich arbeiten, sonst verklebt alles“, mahnt Doris Ost-Viereck. Komme der Kleister an eine Stelle, wo man ihn nicht braucht, sei alles für die Tonne. „Das passiert den Geübtesten“, sagt sie.

 

Die Vaihingerin gehört definitiv zu den Profis in dieser alten Handwerkskunst. Seit 15 Jahren betätigt sich Doris Ost-Viereck regelmäßig in der Buchbinderwerkstatt der Michael-Bauer-Schule im Wohngebiet Österfeld. Als Wahlfach können die Waldorfschüler das Nähen von Büchern, die Herstellung von Schachteln und Mappen sowie das Papierschöpfen lernen. Im Untergeschoss ist eine vollständige Werkstatt mit Pressen, Schneidegeräten und allerhand Werkzeug untergebracht. Doris Ost-Vierecks drei Kinder gingen einst allesamt auf die Schule. Die Mama ist geblieben und stellt mit einer kleinen Gruppe hobbymäßig Produkte für den Schulbasar her.

Die Gruppe erfüllt sich immer kleine Wünsche

Am Mittwochabend haben zwölf Frauen aus der Möhringer CVJM-Gruppe mit ihr gebastelt und die Grundlagen des Bucherbinder-Handwerks erarbeitet. Wie bestimmt man die Laufrichtung des Papiers, das heißt, wie die Zellstofffasern angeordnet sind? Wie werden Papierteile mit Leinen verbunden? Wann kommt ein sogenanntes Falzbein zum Einsatz, und was unterscheidet ein Buchbindermesser von einem herkömmlichen aus der Küche? Bis weit in die Nacht wurde mit Cuttern und Metalllinealen penibel gearbeitet.

Die Möhringer CVJM-Gruppe ist stets offen für Neues. Unter dem Motto „Impuls am Abend“ machen die Mitglieder in puncto Erwachsenenbildung immer wieder etwas anderes, regelmäßig stehen Kreativ-Treffen an. Die Grundidee: Praktisch und lebensnah soll’s sein. „Letztes Jahr haben wir Yogakissen für den CVJM-Raum genäht und mit Dinkel gefüllt“, erklärt Iris Schröter. „Wir erfüllen uns immer kleine Wünsche“, fügt sie lächelnd an. Der Buchbindekurs war so begehrt, dass er sofort ausgebucht war, erklärt Susanne Auwärter-Brodbeck. Die Frauen im Alter von plus, minus 50 sind besonders bastelaffin, das merkt man rasch. Die Frauen schneiden und schmirgeln mit Sandpapier, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten. „Geübt sind wir nicht, nur unerschrocken“, ruft Angela Hentze lachend. Sie hat heute ihre 16-jährige Tochter Vanessa mitgebracht. „Ich nähe viel und bastle gern. Das ist jetzt mal was Neues“, sagt der Teenager.

Nach drei Stunden sind die Erstlingswerke fertig

Dass Do-it-yourself gerade bei Jüngeren wieder in ist, hat auch Bettina Gebhard-Weber festgestellt. Ihre Töchter, 14 und 16, belagern regelmäßig die Küche zum Backen oder nähen etwas. „Mir macht das auch Spaß. Aber man nimmt sich oft nicht die Zeit“, sagt sie, während sie behutsam durch Pappe schneidet. Die Kursleiterin Doris Ost-Viereck wiederum sieht das anders. Sie entspannt bei der Handarbeit besonders gut, wie sie betont. Schmuck, Brillenetuis, Vorratsdosen – es gibt kaum etwas, was die 58-jährige Lehrerin nicht selbst herstellen kann. Ihre Leidenschaft: Papier. „Im Urlaub schaue ich immer nach Läden“, sagt sie und rückt die Papierbrosche an der Schürze zurecht.

Nach mehr als drei Stunden, etlichen krummen Schnitten und viel Gelächter halten die Frauen stolz ihre Erstlingswerke, CD-Hüllen und Mappen, in den Händen. „Ich finde es super, wenn man etwas nach Hause nehmen kann, das man selbst gemacht hat“, sagt Steffi Henke, und die anderen pflichten ihr bei. Doris Ost-Viereck ist auch zufrieden. Ihr Ziel, die Wertschätzung für Handarbeit zu steigern, ist erreicht. Dass die oft nicht groß ist, stellt sie beim Schulbasar immer wieder fest, wenn manche Dinge sich schlecht verkaufen. „Eine Schachtel kostet bei uns 20 Euro, die Herstellung dauert inklusive Trockenzeit zwei Tage. Bei Nanu Nana kostet eine Schachtel aber fünf Euro.“ Susanne Auwärter-Brodbeck und ihre Mitstreiterinnen jedenfalls sind am Ende beeindruckt. „Wir haben alle unterschätzt, wie viel Arbeit in solchen kleinen Dingen steckt.“

Kontakt zu der Referentin Doris Ost-Viereck kann man aufnehmen per Mail an ost.viereck@gmail.com