Beim Aktionstag von Stuttgart Open Fair bewegten sich Menschen, um zu bewegen. Sie streben unterschiedliche Veränderungen an, doch alle wollen sie etwas verändern. Mit viel Musik brachten sie ihre Ideen an den Mann und die Frau.

S-Mitte - Eine Karawane ist ohnehin nicht für ihr rasantes Tempo bekannt. Für die Karawane des Wandels, die sich beim zehnten Stuttgart Open Fair an diesem Samstagnachmittag unter dem Motto „Transform Stuttgart“ durch die Innenstadt bewegt, gilt das gleich doppelt, nämlich zeitlich und inhaltlich: Rund zweieinhalb Stunden braucht der bunte Zug von Fußgängern, Nutzern von Fahrrädern und Fahrradartigem, Rollerfahrern und Handwagenziehern, bis er vom Bismarckplatz zum Schillerplatz gelangt.

 

Sie streben nach breit gefächerten Veränderungen

Weit langwieriger ist aber wohl das, was die vom Veranstalter auf 300 bezifferten Karawanenteilnehmer antreibt und was sie vorantreiben wollen: die Transformation, den Wandel – in vielerlei Hinsicht. Denn Stuttgart Open Fair (Sofa) ist ein loses Bündnis von Gruppen, die sich in verschiedenen und im Laufe der vergangenen zehn Jahre in immer mehr Lebensbereichen für Veränderung einsetzen.

So bilden denn auch die Forderungen und Informationen, die die Passanten am Straßenrand via Transparenten, T-Shirts, Flyern und übers Mikrofon vermittelt bekommen, ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Weltverbesserung ab. „Eltern für ein Recht auf selbstbestimmte Geburt und Versorgung“, steht es beispielsweise rot auf gelb. Die Vertreter von Motherhood wollen damit auf die prekäre Situation der Hebammen aufmerksam machen. „Nähen bis zum Umfallen – Das wollen wir nicht“, verkündet die Gruppe von Terre des Hommes und setzt sich damit für fair produzierte Kleidung ein. Die Gesellschaft Kultur des Friedens tanzt vor der Filiale der Deutschen Bank an der Eberhardstraße einen Syrtaki für Griechenland. Die Stadtisten heißen auf ihrem Transparent Flüchtlinge willkommen in Stuttgart. „Teile Lebensmittel, anstatt sie wegzuwerfen“, fordern die jungen Männer und Frauen von Food Sharing und setzen es bei der Karawane um, indem sie Backwaren vom Vortag aus Mülltonnen an Passanten ausgeben.

Musik soll die Botschaften der Teilnehmer unterstreichen

„Die teilnehmenden Gruppen sollen die Gelegenheit bekommen, gelebte Alternativen zu zeigen“, sagt Peter Streiff vom Sofa-Organisationsteam. Dass das fröhlich vonstattengeht trotz der ernsthaften Themen und Ziele, die die Gruppen umtreiben, liegt an diesem Nachmittag sicher auch an der musikalischen Begleitung: Die Band Maracatú verschafft den Botschaften der Teilnehmer durch Trommelrhythmen Gehör bei den Passanten. Carol Bergin von der Initiative Colibri, die die Karawane organisiert hat, greift die angesprochenen Themen auf, indem sie zur Melodie von John Lennons „Give peace a chance“ etwa „Bio für alle“ singt. „Mit Singen kann man Gefühle rausbringen, sie immer nur rauszubrüllen ist nicht so positiv“, sagt Bergin und will mit ihrem Gesang auch vermitteln, dass es keine „Dagegen-, sondern eine Dafür-Karawane“, schließlich sei ja jeder der Mitziehenden für irgendetwas.

Johanna Grieger ist zum Beispiel dafür, dass die Menschen nicht so viel konsumieren und lieber reparieren. Die 91-jährige Botnangerin läuft „schon seit 60 Jahren unterm Transparent rum“. Heute ist sie mit dem Tretroller da.

„Wir müssen unsere anerzogene Passivität überwinden, dann hat jeder die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten“, sagt Bergin. Helge Gumpert vom Weltladen an der Planie schlägt vor, „nur einmal die Woche, aber dann halt gutes Fleisch essen, weniger in Urlaub fliegen, das Auto auch mal stehen lassen“. Passend zum Motto hat er sein Rad mit einer Transformers-Figur dekoriert – und passend zur Karawane ruhen seine Hände ohne erhobene Zeigefinger auf dem Lenker. Im Hintergrund wird die Verlesung des „Offenen Manifests des Wandels“ vorbereitet, in dem die Gruppen ihre Vorschläge zusammenfassen.