Rad fahren in Stuttgart kann wunderbar sein, aber auch mühsam und von seltsamen Hindernissen erschwert. Eine Fahrt von West nach Ost bringt die Erkenntnis: „Das Fahrrad ist wie Wasser – es findet seinen Weg.“

Stuttgart - Szenen einer Radfahrt: Der Frühlingsmorgen ist ist zwar noch frisch, der Himmel aber tiefblau, das Gras im Rosensteinpark fast schon kitschig grün. Von der Prag an der Rückseite der Wilhelma vorbei Richtung Leuze rollt es so leicht, wie ein Messer durch weiche Butter zieht. Wunderbar, ein Fest für die Augen und weit weg von der Straße auch für die Nase. „Schöner geht es kaum“, schwärmt Martin Huttenlocher. 15 Minuten vorher fühlte sich das noch anders an. Ein als Radweg ausgewiesener, besserer Pfad führt direkt an der Feuerbacher-Tal-Straße von Botnang Richtung Feuerbach. Zumindest ein Stück. Beim ehemaligen Landgasthof Wiesengrund ist Schluss, abrupt. Kein weiterer Radweg, kein Schild, wie es für Radler weitergehen könnte, nichts. Wer sich hier nicht auskennt, dem bleibt nur die Straße.

 

Martin Huttenlocher kennt sich aus, schließlich fährt er oft mit seinem E-Bike zur Arbeit von Botnang durch die Stadt bis zu seinem Büro in Fellbach. Jetzt quert er die Straße und biegt nach nicht mal 100 Metern links ab in einen ruhigen Weg an Kleingärten vorbei. Den muss man aber erst einmal finden. Und damit sind wir bei der Ausgangslage, die den Leserbeirat Huttenlocher beschäftigt. Rad fahren in Stuttgart kann wunderbar sein – aber auch merkwürdig und mit seltsamen Hindernissen. „Ich kann leider kein wirkliches Konzept für Radwege erkennen“, sagt er.

Der Radweg läuft direkt ins Nirwana

Was den 49-jährigen Steuerberater umtreibt, erklärt er auf den etwa 18 Kilometern, die er auf dem Weg ins Büro am Morgen in die Pedale tritt. Am Kreisverkehr  Beethovenstraße biegt er links ab in den Wald. Der Weg ist breit und führt schattig und ruhig bis Feuerbach. Links vom Weg schlängelt sich der Metzgerbach, die Feuerbacher-Tal-Straße kann man zwar durch die Bäume immer mal wieder sehen, aber sie ist so weit weg, dass der Radler weder Abgase riecht noch Lärm hört. Der eigentliche Radweg läuft dagegen 100 Meter weiter links, direkt an der Straße entlang und endet wie gesagt im Pedal-Nirwana. Da müsste man dann eigentlich auf die Straße, Huttenlocher hat aber eine bessere Route. „Das Fahrrad ist wie Wasser – es findet seinen Weg“, sagt er lachend. Und so geht es weiter Richtung Fellbach erst einmal über die Burgherrenstraße und dann die Happoldstraße hinauf. Normale Wohnstraßen, kaum Verkehr, sehr angenehm, aber nicht ausgeschildert, also für Ortsunkundige kaum zu finden. „Die fahren unten in den Abgasen“, sagt Huttenlocher, der erklärt, dass er das für sich auf keinen Fall will.

Nächste Hürde am Ende der Happoldstraße, Rechts ist der Eingang zum Höhenpark Killesberg – dort ist Rad fahren verboten. Der direkte Weg ginge wieder über die Heidestraße hinunter Richtung Verkehr. Martin Huttenlocher lenkt sein Velo aber durch die Rolandstraße Richtung Maybachstraße. Das geht jetzt wieder, war aber lange wegen der Wohnungsneubauten auf dem alten Freibadparkplatz unmöglich, da gesperrt. Dann rollt er weiter über die Stresemannstraße und die Prag in den Park. Und ins Glück – siehe oben. Wenigstens fast. Man hat sich gerade an das lockere Rollen gewöhnt, da endet der Weg unterhalb des Rosensteinmuseums. Vollsperrung – der Steg über die B14 hinweg zum Leuze fehlt zur Hälfte. Abgerissen, wegen der Arbeiten am Rosensteintunnel. Der Steg soll wiederkommen, wann ist aber offen. Bis dahin schlängelt man sich durch den Park und ärgert die Enten.

Lieber durch das Wohngebiet als an der Hauptstraße entlang

Danach ärgert sich aber Radler Huttenlocher: Die Weiterfahrt Richtung Fellbach führt vor dem Cannstatter Wilhelmsplatz durch eine dunkle Bahnunterführung. Radler und Fußgänger gemeinsam auf einem schmalen Streifen, daneben brodelt der Verkehr. Das, so Huttenlocher, brauche nun wirklich kein Mensch. Also biegt er vor der Unterführung rechts in die Kleemannstraße, von dort geht es über das Cannstatter Carré in die Deckerstraße und von dort auf dem Weg neben der Fahrbahn hinauf in Richtung Fellbach. Alles sehr entspannt, rechts die Gleisanlagen, links eine nur mäßig befahrene Straße, am Rand Bäume, die zumindest im Sommer gute Luft und Schatten spenden. Wenn er da so fährt, fragt sich Huttenlocher, warum gut 100 Meter weiter links ein breiter Radweg direkt an der Hauptverkehrsachse Waiblinger- und Nürnberger Straße gebaut werden musste. Wenn ich da neben den Autos hoch fahre, spüre ich den Dreck in den Bronchien“, klagt er.

Und so schlängelt sich Huttenlocher am südlichen Rand von Bad Cannstatt entlang zur Stadtgrenze und rollt dann über einen breiten asphaltierten Feldweg am Fellbacher F3-Bad vorbei in die Nachbarstadt. Drei Minuten später ist er in seinem Büro. Die letzten sechs Kilometer hat er dabei die offiziellen Routen an den Hauptstraßen komplett vermieden. Sein Fazit: Radfahren in Stuttgart kann schön sein – es könnte aber noch weit besser werden, würde man die Strecken nicht direkt am Autoverkehr entlangführen. Und wenn der bessere Weg ein weniger länger wäre, sei das auch egal. Die Gesundheit geht vor.