Der 18-jährige Franzose Thomas Caruyer hat sein Freiwilliges Soziales Jahr im Plieninger Bezirksrathaus begonnen. Er erzählt, wie es dazu kam und warum die EU ihm wichtig ist.

Plieningen - Franzosen würden sagen, dass er bloß Zeit verliere, meint Thomas Caruyer. „Nicht gleich nach dem Schulabschluss auf die Universität zu gehen, das geht gar nicht“, sagt er. Der 18-jährige Franzose wird sich bei Besuchen links des Rheins also vielleicht dafür rechtfertigen müssen, dass er nun im zweiten Stock des Plieninger Bezirksrathauses in einem Büro sitzt und beim Blick aus dem Fenster den Flughafen in Leinfelden-Echterdingen sieht. Caruyer hätte allerdings gute Argumente, warum sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Deutschland sinnvoll ist. „Ich finde es gut, nach der Schule selbstverantwortlich arbeiten zu können, anstatt nur herumzusitzen und anderen zuzuhören. Da wird man schneller erwachsen.“

 

Caruyer lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Der Vater arbeitet für ein französisches Unternehmen in der Region, und der Sohn machte auf dem Wagenburg-Gymnasium sowohl das Abitur als auch den französischen Abschluss Baccalauréat. Er habe auf der Schule von Freunden gehört, dass es in Deutschland anders als in Frankreich nicht ungewöhnlich sei, nach dem Abschluss sich erst einmal für das Gemeinwesen zu engagieren. Zunächst wollte Caruyer ein FSJ in der Flüchtlingsarbeit machen, sagt er. Aber Spaß hätte es ihm auch gemacht, sich für Jugendliche oder Kinder einzusetzen, sagt er. „Ich habe als Betreuer im Waldheim gearbeitet und dort viele Flüchtlingskinder betreut“, erklärt er.

Dann habe er die Stelle in der Birkacher und Plieninger Bezirksverwaltung angeboten bekommen, bei der er beides miteinander verbinden könne. „Ich organisiere nun als FSJler im Bezirksrathaus die Jugendratswahlen mit und gebe Nachhilfe in Flüchtlingsheimen“, sagt er.

Freunde erzählten vom FSJ

Die im Oktober beginnende Kandidatensuche für neue Gremien der Jugendbeteiligung gilt als Caruyers erster Einsatz. „Ich schreibe viele Mails und mache Termine für die Informationsveranstaltungen an den Schulen“, sagt er. Einen künftigen Jugendrat – sollte es ihn dank einer ausreichend hohen Wahlbeteiligung geben – würde er betreuen. „Ich will durch eine möglichst gute Präsentation bei unseren Schulbesuchen überzeugen, dass sich die Jugendratswahlen lohnen“, sagt er. Caruyer scheint es Freude zu machen, dass er sich im FSJ für etwas einsetzen kann, ohne davon einen unmittelbaren Nutzen zu haben. Er wisse noch nicht, was er beruflich mal machen will, und ob die Erfahrungen der kommenden Monate ihm dabei helfen werden. „Vielleicht studiere ich Politik, vielleicht werde ich aber auch Ingenieur“, meint er. Sicher sei nur, dass er wie in der Schule auch im Studium sowohl einen deutschen als auch einen französischen Abschluss anstrebe, sagt er.

Caruyer hat noch keine Pläne

Ob es wohl in Frankreich in der Verwaltung einer mit Stuttgart vergleichbaren Großstadt anders zugehe, als er es nun im Rathaus an der Garbe erlebt? Caruyer glaubt das nicht. Aber einen Unterschied gebe es doch, sagt er. „Frankreich ist ein Zentralstaat. Da kommt alles von oben. In Deutschland mit seiner dezentralen Verwaltung können die einzelnen Mitarbeiter mehr entscheiden.“

Der junge Franzose, der sich auch für deutsche Politik interessiert, sieht nach der Bundestagswahl eine weitere Gemeinsamkeit beider Länder. Nachdem in Frankreich der Front National zu einer entscheidenden Kraft aufgestiegen ist, zog nun bei der Bundestagswahl die AfD ins Parlament ein. Dem 18-jährigen Caruyer bereitet der Erfolg von EU-skeptischen Parteien in beiden Ländern Kopfzerbrechen. „Ohne die EU könnte ich nicht in Plieningen FSJ machen, und ohne die EU brauche ich mich auch gar nicht erst um einen Doppelabschluss im Studium zu bemühen“, sagt er.