Den Ruf als Deutschlands Großstadt mit der miesesten Luft wird Stuttgart nicht los. Vom 15. Oktober an kann der Alarm wieder ausgelöst werden. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Feinstaubalarm.

Stuttgart - Seit Jahren ringt Stuttgart um bessere Luft. Lastwagen wurde schon die Durchfahrt verboten, das Tempo an Steigungsstrecken gedrosselt und einen Feinstaubalarm eingeführt, bei dem die Autofahrer zum freiwilligen Umstieg auf Busse und Bahnen aufgerufen werden. Inzwischen setzt sich aber bei Stadt und Land die Ansicht durch, dass es ohne die Einführung der blauen Plakette kaum gelingt, die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen. Beide fordern vom Bund die Einführung der Plakette. Diese würden nur Fahrzeuge bekommen, die die sogenannte Euro-6-Norm erfüllen. Treffen würde das vor allem ältere Dieselfahrzeuge, die als Hauptverursacher von Stickoxidbelastung in den Städten gelten.

 

Stuttgart kann die EU-Grenzwerte sowohl für Stickoxide als auch für Feinstaub nicht einhalten. Bald kann es wieder Feinstaubalarm geben, bei dem Autofahrer zum Verzicht auf den Wagen aufgerufen werden.

Was haben die Feinstaubalarme in Stuttgart bisher gebracht?
„Wir werden besser“, sagt Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). „Aber es gibt noch keine Entwarnung.“ Auch in diesem Jahr werde der EU-Maximalwert für Feinstaub an der Messstation Neckartor absehbar an mehr als 35 Tagen überschritten. Auch bei der Stickoxid-Belastung sei ein „gewisser Fortschritt“ im Vergleich zum Vorjahr zu sehen, doch da sei der EU-Grenzwert schon längst um fast das Doppelte überschritten.
Wann wird Feinstaubalarm ausgelöst?
Der Alarm kann zwischen dem 15. Oktober 2016 und dem 15. April 2017 ausgelöst werden. Voraussetzung ist, dass Meteorologen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen eine Wetterlage voraussagen, bei der die verschmutze Luft nicht aus dem Stuttgarter Talkessel abzieht. So ein „eingeschränktes Austauschvermögen der Atmosphäre“ gibt es eigentlich nur im Herbst und Winter.
So schädlich ist der Feinstaub für die Gesundheit.
Was ändert sich in der neuen Stuttgarter Alarmperiode?
Kuhn verweist stets auf rund 40 Maßnahmen, die es schon zur Luftreinhaltung gebe. Diese reichten vom Lkw-Durchfahrtverbot über ein Tempo 40 an Steigungsstrecken bis zur Förderung der Elektromobilität. Laut Kuhn werden vom 15. Oktober an mehr Bahnen eingesetzt und die Kommunikation etwa über WhatsApp erweitert. Vom 15. Oktober an gibt es zudem ein Feinstaubticket. An Alarmtagen können Busse und Bahnen mit Einzeltickets zum halben Preis genutzt werden. Wer schon ein Jahresticket hat, bekommt in der Alarmperiode ein Fahrt auf den Fernsehturm geschenkt.
Was fordern Umweltschützer?
Nach wie vor tun Stadt und Land zu wenig gegen die Luftbelastung, meint etwa der Naturschutzbund BUND. Es fehlten kurzfristige Maßnahmen, die den Autoverkehr dauerhaft reduzierten wie höhere Parkgebühren oder Tempolimits auf Außerortsstraßen. Fußgänger, Radfahrer, Busse und Bahnen „müssen im Straßenraum deutlich mehr Platz bekommen - und zwar zulasten des Autoverkehrs“.
Warum müssen die Großstädte weg von der hohen Luftbelastung?
Wenn die Werte nicht nachhaltig besser werden, sind Strafzahlungen Richtung Brüssel unausweichlich. „Blaue Briefe“ von dort gingen schon in Stuttgart ein, sowohl wegen der Feinstaub- als auch wegen der Stickoxid-Belastung. Die Europäische Kommission könnte Klage gegen die Bundesrepublik beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen. Sollte Deutschland verurteilt werden und das Urteil nicht befolgen, kann der EuGH ein Zwangsgeld in sechsstelliger Höhe festlegen. Dieses würde der Bund dann an die betroffenen Länder weiterreichen.
Können die Stuttgarter zum Autoverzicht gezwungen werden?
Die Stadt baut weiter auf den freiwilligen Appell. Er sehe „gute Chancen“, sagte Kuhn, dass man die Belastung so unter die EU-Grenzwerte drücken könne. Doch: „Sollten wir das freiwillig nicht schaffen, müssen Regelungen her.“ Sprich: Fahrverbote ab 2018. Dazu haben sich Land und Stadt in gewisser Weise sogar schon verpflichtet. Bei einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht sagten sie Anwohnern die Reduzierung des Verkehrs am Neckartor um 20 Prozent an Alarmtagen zu, sollte man die Werte bis Ende 2017 nicht einhalten.
Wie verhält sich das Land vor Gericht?
Um in weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Deutschen Umwelthilfe bestehen zu können, sei die Einführung der blauen Plakette unerlässlich, sagte Uwe Lahl, Amtschef im Verkehrsministerium. Wenn die Gerichte davon überzeugt werden könnten, dass die neue Plakette kommt und ältere Diesel in absehbarer Zeit von der Straße verschwinden, könne sich das Land womöglich aus der Affäre ziehen. Könne man das nicht, drohten Verurteilungen und damit der Zwang zu zeitweisen Sperrungen für ältere Dieselfahrzeuge. „Für uns wäre das eine Katastrophe.“