32 Vogelarten leben auf dem Ostfilderfriedhof in Stuttgart-Sillenbuch. Von der Wacholderdrossel über Spechte bis hin zu einem besonderen Gesellen: dem Halsbandschnäpper. „Für den machen wir den ganzen Zirkus“, sagt Reinhard Mache und meint einen ganz speziellen Einsatz.

Sillenbuch - Reinhard Mache ist der, der mit den Vögeln pfeift. Irgendwo im Baum sitzt ein Kleiber und schimpft wie ein Rohrspatz, weil die Menschengruppe seinem Zuhause zu nahe gekommen ist. Reinhard Mache steht mit Gisela und Helmut Schiller unter dem mit K6 gekennzeichneten Vogelhäuschen und steigt einfach ins Piepen mit ein. Man kennt sich ja – quasi.

 

Das Trio bildet den harten Kern des Arbeitskreises für Vogelschutz im Obst- und Gartenbauverein (OGV) Sillenbuch und ist für die 100 Nistkästen auf dem Ostfilderfriedhof zuständig – und nicht nur für die. Darüber hinaus kümmert sich das Sillenbucher Ehepaar gemeinsam mit dem 82-Jährigen aus Stuttgart-Nord um je 100 weitere Nistkästen am Bußbach, am Silberwald entlang der Buowaldstraße, außerdem um Kästen am Augustinum oder in Hohenheim.

Reinhard Mache ist ein Vogelkenner

Dass der OGV eine ornithologische Abteilung hat, ist nach den Worten von Reinhard Mache einmalig. Er muss es wissen, immerhin hält der ehrenamtliche Mitarbeiter des Stuttgarter Naturkundemuseums und der Vogelwarte Radolfzell pro Jahr etwa 50 Vorträge und hat das Stuttgarter Vogelbuch verfasst.

Der Sturm Lothar Ende 1999 hatte die OGV-Vereinsmitglieder veranlasst, sich der heimischen Vogelwelt zu widmen. Es war nötig, für Höhlenbrüter neue Behausungen zu schaffen, nachdem der Orkan die geeigneten morschen Bäume umgelegt hatte. Seit 2000 gibt es den Arbeitskreis, seit 2005 die Nistkästen in Sillenbuch.

Der Einsatz lohnt sich. 32 Vogelarten hat das Trio auf dem parkähnlich gestalteten Ostfilderfriedhof ausgemacht. Von der Wacholderdrossel über diverse Spechte und das Sommergoldhähnchen bis hin zu einem ganz besonderen Gesellen: dem Halsbandschnäpper. „Für den machen wir den ganzen Zirkus“, sagt Reinhard Mache. Der Vogel sei geschützt und stehe auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Bis zu neun Brutpaare des Vogels hat der Verein auf dem Areal gezählt, das sei eine ungewöhnlich dichte Population.

Ehepaar ist fast täglich auf dem Friedhof bei den Vögeln

Das Ehepaar Schiller lebt in der Nachbarschaft und ist fast täglich auf dem Friedhof, um zu schauen, wie es um die 100 kleinen Vogelwohnungen und deren Bewohner steht. Für das Monitoring haben die 74-Jährigen Checklisten dabei. Los geht es bei der Nummer eins an der Aussegnungshalle, dann schneckenförmig über das gesamte Gelände. Für jeden Kasten gibt es ein Protokoll, im Schnitt sind 90 Prozent belegt.

Für die Nistkastenreinigung, die immer im Herbst ansteht, brauchen die Vogelfreunde Unterstützung. Sie haben einen Stamm von studentischen Hilfen, die mit ihnen die Bäume erklimmen und die Boxen säubern und reparieren. Um die Helfer und neues Material zu bezahlen, hat der OGV in der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirats 1000 Euro zugesprochen bekommen.

Viele der Sillenbucher Nisthilfen sind mittlerweile marode oder von Eichhörnchen so stark angeknabbert, dass sie ausgetauscht werden müssen. „Gute Beziehungen zum Friedhofspersonal sind wichtig“, sagt Helmut Schiller. So werden die Ornithologen gewarnt, wenn ein Baum gefällt werden soll.

Unliebsame Begegnung mit einem Siebenschläfer

Bei den Putzaktionen erleben die OGVler, die auch Mitglieder beim Verein Arbeitskreis für Vogelkunde und Vogelschutz mit Sitz in Feuerbach sind, immer wieder Außergewöhnliches: Häuschen, in die zwei unterschiedliche Arten ihre Eier gelegt haben, Fledermäuse und besonders häufig den Siebenschläfer, einen der Hauptfeinde vieler Vögel. Die freuen sich natürlich nicht über Menschenbesuch. „Mir ist mal einer im Hosenbein hochgekrabbelt“, sagt Gisela Schiller.

Trotz solcher unliebsamen Begegnungen machen die drei Tierfreunde ihre ehrenamtliche Arbeit gern. Ohne sie wäre die Vogelwelt auf dem Ostfilderfriedhof eine andere. In den jungen Bäumen würden die Vögel nämlich keine Bruthöhlen finden. Und die Friedhofsbesucher, die freuen sich über das Pfeifkonzert über ihren Köpfen. „Die Leute sprechen uns an und sind interessiert“, sagt Helmut Schiller.